Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
überdachte Nathan seine zuvor gefaßten Mordpläne.
»Was, zum Teufel, treiben Sie da?«
Der Pfeifer drehte den Kopf und grinste ihm zu. »Morgen. Hier sind ein paar undichte Stellen. Muß in Ordnung gebracht werden, bevor es so heiß wird, daß Sie die Klimaanlage brauchen.«
»Sie reparieren also die Klimaanlage?«
»Junge, ich repariere alles.« Er stieg von der Leiter, wischte seine Hand an der Jeans ab und streckte sie dann Nathan entgegen. »Ich bin Giff Verdon. Das Mädchen für alles.«
Nathan betrachtete die freundlichen braunen Augen, die schiefen Schneidezähne, die zerzausten, sonnengebleichten Strähnen, die unter der Baseballkappe hervorstanden, und gab sich geschlagen. »Können Sie auch Kaffee machen? Einen ordentlichen, meine ich.«
»Wenn Sie die entsprechenden Geräte haben, kein Problem.«
»Ich habe da eine Art Tüte mit so einem …« Nathan deutete die Form mit vagen Gesten an. »Topf.«
»Filterkaffee. Das ist der beste. Sie sehen aus, als könnten Sie einen gebrauchen, Mr. Delaney.«
»Nathan. Ich biete hundert Dollar für einen richtig guten Kaffee.«
Grinsend schlug Giff Nathan auf die Schulter. »Wenn du ihn so nötig brauchst, Nathan, dann ist er umsonst. Also los.«
»Fängst du immer in aller Herrgottsfrühe an?« erkundigte sich Nathan, während er hinter Giff die Stufen hinaufstieg.
»Wenn man früh anfängt, hat man mehr vom Tag.« Giff ging ohne Umschweife auf den Herd zu und füllte Wasser in den Kessel. »Hast du Filtertüten?«
»Nein.«
»Gut, dann tut’s das hier.« Giff riß ein paar Küchentücher von der Rolle, faltete sie geschickt und steckte sie in den Plastikfilter. »Du bist Architekt, stimmt’s?«
»Stimmt.«
Nathan ließ die Zunge über seine Zähne gleiten und zog kurzfristig in Erwägung, sie sich zu putzen. Aber erst nach dem Kaffee. Welten werden erobert, Ozeane überquert, Frauen verführt – aber alles erst nach dem Kaffee. Das Leben würde wieder lebenswert sein. Nach dem Kaffee.
»Wollte ich auch immer werden.«
»Was wolltest du auch immer werden?« fragte Nathan abwesend, während sich Giff über den Herd beugte.
»Architekt. Ich habe immer alles vor meinem geistigen Auge gesehen. Gebäude, Fenster, Dächer, Ziegelsteine, Mauern.« Giff löffelte gemahlenen Kaffee in die Filtertüte; man sah, daß er Übung darin hatte. »Ich konnte in meiner Vorstellung sogar in die Häuser reingehen. Manchmal habe ich Sachen rumgeschoben. Diese Treppe gehört dort nicht hin, besser steht sie hier.«
»Ich verstehe, was du meinst.«
»Konnte mir aber kein Studium leisten, deshalb bin ich Schreiner geworden und baue die Dinger.«
Nate nahm zwei Kaffeebecher aus dem Regal. »Du baust also Häuser?«
»Na ja, nicht richtig. Jedenfalls keine tollen. Eigentlich repariere ich mehr, mache Ausbesserungsarbeiten.« Liebevoll tätschelte er den Werkzeuggürtel, der um seine Hüfte geschnallt war. »Ich schwinge den Hammer. Hier auf der Insel gibt’s immer irgendwas zu tun – da kommt keine Langeweile auf. Vielleicht nehme ich mir ja eines Tages eines der Häuser in meinem Kopf und baue es zusammen.«
An den Tisch gelehnt, beobachtete Nathan interessiert, wie Giff das kochende Wasser in den Filter goß. »Hast du auch schon auf Sanctuary gearbeitet?«
»Klar, ’ne ganze Menge sogar. Ich hab’ Brian bei der Küchenrenovierung geholfen. Miz Pendleton will vielleicht eine Sauna anbauen. Eine Art Solarium. Wo man einen Whirlpool und einen Fitneßraum reinstellen kann. Die Leute legen jetzt Wert auf so was, wenn sie Urlaub machen. Ich arbeite gerade an einem Entwurf.«
»Am besten auf der Südseite«, murmelte Nathan leise vor
sich hin. »Da ist das Licht gut, und das Ganze würde im Garten verschwinden.«
»Ja, genauso habe ich mir’s vorgestellt«, stimmte ihm Giff grinsend zu. »Wenn du es genauso siehst, kann ich ja gar nicht auf dem Holzweg sein.«
»Ich würde mir den Entwurf gerne ansehen, wenn du soweit bist.«
»Ehrlich?« Giff strahlte. »Dann schau’ ich mal vorbei, wenn ich ein bißchen weiter bin. Das Angebot ist noch besser als hundert Dollar für den Kaffee. Dauert noch einen Augenblick, bis er durchgelaufen ist«, fügte er hinzu, als er sah, daß Nathan ungeduldig die sich nur langsam füllende Kanne beobachtete. »Für die meisten guten Dinge im Leben braucht man Geduld.«
Als Nathan nach zwei Tassen Kaffee unter der Dusche stand und das Wasser auf seinen Rücken trommeln fühlte, mußte er Giff recht geben. Manche Dinge waren es
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