Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
vor. Aber ihr Herz pochte
noch immer, und sie hatte nichts dagegen, daß er sie in den Armen hielt. Sie fragte sich, wie lange es schon her war, daß jemand sie umarmt und ihr Schutz und Geborgenheit gegeben hatte. »Es war nicht deinetwegen. Mir ist da was passiert. Vor ein paar Tagen, auf dem Campingplatz. Ein Typ hat was Ähnliches zu mir gesagt. Er hat mir einen Mordsschrecken eingejagt.«
»Das tut mir leid.«
Sie seufzte tief auf. »Ist wirklich nicht deine Schuld. Meine Nerven sind im Augenblick nicht gerade die besten.«
»Hat er dir weh getan?«
»Nein, nein, er hat mich nicht mal berührt. Es war nur so gruselig.«
Sie ließ den Kopf an seine Schulter sinken und schloß die Augen. Es wäre so einfach gewesen, einfach stehenzubleiben. Gehalten zu werden. In Sicherheit zu sein. Aber der einfache Weg war nicht immer der richtige. Und auch nicht der klügste.
»Ich werde nicht mit dir schlafen, Nathan.«
Er hielt noch einen Augenblick inne und genoß das Gefühl, ihren Körper dicht an seinem, ihr Haar an seiner Wange zu spüren. »Na, dann kann ich mich ja gleich im Fluß ertränken. Du hast den Traum meines Lebens zerstört.«
Sie unterdrückte ein Lächeln. »Ich will dir nichts vormachen.«
»Warum kannst du mich nicht ein bißchen belügen? Sei nett zu meinem Ego.« Er zog sanft an ihrem Pferdeschwanz, und sie hob den Kopf. »Warum fangen wir nicht mit etwas Einfachem an und arbeiten uns dann langsam zu den komplizierteren Dingen vor?«
Sie beobachtete, wie sich sein Blick auf ihre Lippen senkte und dann langsam wieder hoch zu ihren Augen wanderte. Sie konnte den Kuß beinahe spüren. Es wäre ganz einfach, die Augen zu schließen und ihm freie Hand zu lassen. Es wäre ganz einfach, sich nach vorn zu beugen und ihm entgegenzukommen.
Statt dessen hob sie die Hand und legte ihre Finger auf seinen Mund. »Nicht.«
Seufzend nahm er ihre Hand und ließ seine Lippen über ihre Knöchel gleiten. »Du läßt einen Mann ganz schön hart für sein Vergnügen arbeiten, Jo.«
»Ich werde nicht eines deiner Vergnügen sein.«
»Du bist es schon.« Er hielt ihre Hand umschlossen und wandte sich in Richtung Sanctuary. »Frag mich bitte nicht, warum.«
Da er keine Antwort zu erwarten schien, folgte Jo ihm schweigend. Ich muß über diese Sache nachdenken, entschied sie. Sie war ehrlich genug, um sich einzugestehen, daß er sie nicht völlig kaltließ. Da war dieses Kribbeln, das erste Anzeichen körperlicher Lust.
Vielleicht verlor sie allmählich den Verstand, aber die grundlegenden Mechanismen ihres Körpers schienen in Ordnung zu sein.
Sie hatte dieses Kribbeln in ihrem Leben nicht so oft verspürt, daß sie es als selbstverständlich hingenommen hätte. Und wenn es dem Mann, der es verursacht hatte, ganz offensichtlich nicht anders ging … dann war das ein Grund, über die Sache nachzudenken.
Im Augenblick hatte sie die Situation jedenfalls noch unter Kontrolle; sie konnte sie begreifen, analysieren. Aber sie hatte das dumpfe Gefühl, daß das Kribbeln eines Tages zum Jucken werden könnte. Und das Dumme am Jucken war, daß es nur nachließ, wenn man sich kratzte.
»Wir müssen uns aber beeilen«, sagte sie zu Nathan, als sie auf den Seiteneingang zusteuerte.
»Ich weiß. Da sind noch ein paar Betten zu machen, stimmt’s? Ich werde dich nicht lange aufhalten, denn ich freue mich schon auf Brians Frühstück.«
»Vielleicht kannst du ihn ja überreden, danach mit dir zum Strand oder zum Angeln zu gehen, falls du noch nichts anderes vorhast. Brian arbeitet zu viel.«
»Er liebt das Haus und seine Arbeit.«
»Ich weiß.« Sie durchschritten einen langen Gang mit Wandgemälden, die den Wald und den Fluß zeigten. »Aber deshalb muß er Sanctuary ja nicht ununterbrochen dienen.« Sie drückte einen Knopf, und ein Teil des Wandgemäldes glitt zur Seite.
»Seltsame Art, das auszudrücken.« Nathan folgte ihr durch die Öffnung und die Treppe hinauf zu den einstigen Dienstbotenzimmern, die heute Teil des privaten Flügels des Hauses waren. »Sanctuary dienen.«
»Aber so ist es. Ich denke, das tun wir alle, wenn wir hier sind.«
Am Ende der Treppe wandte sie sich nach links. Als sie an der ersten offenen Tür vorbeikamen, warf sie einen raschen Blick in Lexys Zimmer. Das mächtige Himmelbett war leer. Und natürlich nicht gemacht. Überall lagen Klamotten verstreut – auf dem Aubusson-Teppich, den glänzenden Bodendielen, den Queen-Anne-Sesseln. Der Duft von Creme, Parfum und Puder lag in der
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