Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
ist sie ja!« Ginny hob zur Begrüßung ihre Bierdose. »Hallo, Jo Ellen Hathaway! Willkommen zu Hause.«
Grinsend ließ Jo ihren Schlafsack fallen. Zum ersten Mal fühlte sie sich zu Hause. Und willkommen. »Danke.«
»Daß du Ärztin geworden bist.« Im Schneidersitz saß Jo vor dem Lagerfeuer und schlürfte aus einem Plastikbecher Chardonnay. Eine Flasche steckte bereits mit dem Hals im Sand. »Kann ich mir gar nicht vorstellen. Als wir klein waren, wolltest du doch immer Archäologin oder so was werden. Ein weiblicher Indiana Jones. Und die Welt erforschen.«
»Ich hab’ mich halt entschlossen, statt dessen die menschliche Anatomie zu erforschen.« Schon etwas mehr als leicht beschwipst, strich Kirby Brians köstliche Entenleberpastete auf einen Cracker. »Und mir macht’s Spaß.«
»Über deinen Beruf wissen wir Bescheid, Jo, aber gibt es einen Mann in deinem Leben?« fragte Kirby.
»Nein. Und bei dir?«
»Ich hab’s mehrfach bei deinem Bruder versucht, aber er beißt einfach nicht an.«
»Brian.« Jo verschluckte sich beinahe an ihrem Wein. »Brian?« wiederholte sie.
»Klar. Er ist solo, attraktiv und intelligent.« Kirby leckte ihren Daumen ab. »Und er macht leckere Pastete. Warum also nicht Brian?«
»Weiß nicht. Er ist…« Jo machte eine ausladende Handbewegung. »… halt Brian.«
»Er tut so, als würde er sich nicht für Kirby interessieren.« Lexy beugte sich vor, um nach der Pastete zu greifen. »Stimmt aber nicht.«
»Stimmt nicht?« Kirby blickte auf, ihre Augen verengten sich. »Woher weißt du das?«
»Eine Schauspielerin muß Menschen beobachten, die Rollen, die sie spielen.« Lexy leckte ihre Finger ab. »Du machst ihn nervös, und das ärgert ihn. Was bedeutet, daß du ihn ärgerst, weil er dich bemerkt.«
»Meinst du wirklich?« Obwohl sich ihr Kopf schon mächtig drehte, leerte Kirby ihren Becher und schenkte sich noch Wein nach. »Hat er irgendwas über mich gesagt? Hat er – Moment.« Sie hob die Hand und rollte die Augen. »Das ist ja kindisch. Vergiß bitte, daß ich gefragt habe.«
»Je weniger Brian über irgendwas spricht, desto mehr beschäftigt es ihn«, erklärte ihr Lexy. »Und deinen Namen erwähnt er so gut wie nie.«
»Wirklich?« vergewisserte sich Kirby abermals und wurde zusehends munterer. »Stimmt das echt? Na fein. Vielleicht sollte ich ihm dann doch noch eine Chance geben.«
Sie blinzelte, als ein Lichtblitz ihre Augen traf. »Was soll das?« fragte sie, als Jo ihre Kamera sinken ließ.
»Du hast grade so verdammt zufrieden ausgesehen. Rück ein bißchen näher an Lex, Ginny. Dann bekomm’ ich euch alle drei drauf.«
»Jetzt ist sie schon wieder dran«, murmelte Lexy, aber trotzdem schleuderte sie ihr Haar zurück und warf sich in Pose.
Als das Blitzlicht aufflammte, stellte Jo fest, daß sie alle drei schön waren. Jede auf ihre Art. Ginny mit ihrem wasserstoffblonden Kraushaar und dem offenen Lächeln, Lexy mit ihrem
trotzigen Selbstbewußtsein und Kirby mit ihrer Ausstrahlung von Sicherheit und Klasse.
Jo legte die Kamera beiseite und erhob sich aus ihrem Schneidersitz. »Ich muß mal pinkeln.«
»Ich komme mit«, murmelte Kirby, als Jo aus dem Lichtschein des Lagerfeuers verschwand. Sie knipste ihre Taschenlampe an und folgte Jo. »Hey, Jo, warte.« Sie mußte einen Schritt zulegen, um Jo einzuholen. Als Kirby sie erreicht hatte, griff sie nach Jos Arm. »Erzählst du mir, was los ist?«
»Meine Blase ist voll. Dir als Ärztin sollten die Symptome bekannt sein.«
Als sich Jo wieder abwenden wollte, verstärkte Kirby ihren Griff. »Schatz, ich frage dich als Freundin und als Ärztin. Großmutter hätte gesagt, du siehst krank aus. Und mein erster Eindruck ist, daß du völlig am Ende bist. Erzähl mir doch, was mit dir los ist.«
»Ich weiß nicht.« Jo drückte ihre Hand auf die Augen, die kurz davor waren, sich wieder mit Tränen zu füllen. »Ich kann nicht drüber sprechen. Ich brauche Zeit und Ruhe.«
»Okay.« Vertrauen gewinnt man nur langsam, dachte Kirby. »Komm doch einfach mal in meiner Praxis vorbei. Ich checke dich durch.«
»Weiß nicht. Mal sehen. Ich denk’ drüber nach.« Jo hatte sich jetzt wieder im Griff und rang sich ein Lächeln ab. »Aber eins kann ich dir sagen.«
»Was denn?«
»Ich muß wirklich pinkeln.«
»Also los.« Kichernd richtete Kirby den Lichtkegel auf den schmalen Pfad. »Wenn du hier ohne Taschenlampe unterwegs bist, könntest du zwischen den Zähnen eines Alligators enden.« Vorsichtig
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