Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
den Strand hinunter. Sie freute sich, die beiden so zu sehen. Schließlich war der gute alte Giff schon seit Jahren hinter ihr her, und Lexy, na ja, Lexy hatte sich im Kreis gedreht und darauf gewartet, daß Giff sie einholte.
Sie mußte einen Moment stehenbleiben und warten, bis sich das Karussell in ihrem Kopf etwas langsamer drehte. Die Turbo-Tequilas wären wirklich nicht mehr nötig gewesen,
dachte sie. Aber andererseits war das Leben zu kurz, um irgendwas zu verpassen.
Eines Tages würde auch sie den Mann finden, der ihr zeigte, wo’s langging. Und bis dahin würde sie sich wunderbar auf der Suche nach ihm amüsieren.
Und wie bestellt kam ihr plötzlich ein Mann entgegengelaufen. Ginny deutete einen Hüftschwung an und zauberte ein breites Grinsen auf ihr Gesicht. »Na, Hübscher, was machst du denn hier, so ganz allein?«
»Nach dir suchen, Süße.«
Selbstbewußt schüttelte sie ihr Haar zurück. »Na, wenn das kein Zufall ist.«
»Ich würd’s eher Schicksal nennen.« Er streckte ihr seine Hand entgegen, und Ginny ergriff sie, ohne zu zögern. Es war ihre Glücksnacht, da war sie ganz sicher.
Gerade betrunken genug, daß es leicht geht, dachte er, als er sie tiefer ins Dunkel führte. Und nüchtern genug, daß es Spaß macht.
TEIL ZWEI
Welche Wunde ist je schneller
als nach und nach geheilt?
SHAKESPEARE
Elf
Zum ersten Mal seit vielen Wochen wachte Jo erholt und hungrig auf. Sie fühlte sich ausgeglichen, ja fast glücklich. Kate hat wieder mal recht gehabt, dachte Jo, während sie sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. Sie hatte den Abend unter Menschen bitter nötig gehabt; die Leute, die Musik, das Fest hatten ihr gutgetan. Und die Gesellschaft eines Mannes, der sie ganz offensichtlich attraktiv fand, hatte auch nicht geschadet. Jo kam zu dem Schluß, daß ein paar weitere Stunden mit Nathan auch nicht übel wären.
Als sie auf dem Weg nach unten an der Dunkelkammer vorbeikam, dachte sie zum ersten Mal nicht an den Umschlag mit den Fotos, den sie ganz hinten in einer Schublade versteckt hatte. Zum ersten Mal dachte sie nicht an Annabelle.
Statt dessen stellte sie sich vor, wie es wäre, wieder runter zum Fluß zu gehen – und Nathan dort zu treffen. Rein zufällig natürlich. Ich bin schon fast wie Ginny, dachte sie lächelnd. Ich überlege, wie ich die Aufmerksamkeit eines Mannes auf mich ziehe. Aber wenn Ginny damit Erfolg hatte, warum dann nicht auch sie? Was war gegen einen Flirt mit einem Mann einzuwenden, den sie interessant fand? Den sie erregend fand.
Also bitte. Nachdenklich blieb sie auf der Treppe stehen. Eigentlich war es gar nicht so schwer, zuzugeben, daß sie ihn tatsächlich erregend fand – die Art, wie er ganz unbefangen ihre Hand nahm, seinen offenen Blick, der ihren suchte und festhielt. Die gelassene, selbstbewußte Haltung, mit der er sie geküßt hatte. Er war einfach aufgetaucht, hatte sich eine Kostprobe genommen, sie für gut befunden und dann wieder den Rückzug angetreten. Als ob er genau wüßte, daß sich später noch günstigere Gelegenheiten bieten würden.
Eigentlich sollte ich sauer sein, dachte sie. Wieder mal diese typisch männliche Arroganz. Aber irgendwie schien sie diesmal ihre primitivsten Triebe zu reizen. Sie fragte sich, wie sie bei diesem Spiel am Ende wohl abschneiden würde.
Lächelnd nahm sie die letzten Stufen. Sie hatte so ein Gefühl, als ob sie Nathan Delaney noch gewaltig überraschen würde. Und auch sich selbst.
»Ich würde es ja machen, Sam, aber ich erwarte heute vormittag noch ein paar neue Gäste.« Kate blickte auf, als Jo die Küche betrat, und warf ihr ein zerstreutes Lächeln zu. »Guten Morgen, Schatz. Du bist früh dran.«
»Da bin ich ja nicht die einzige«, erwiderte Jo mit einem schnellen Blick auf ihren Vater, während sie auf die Kaffeekanne zusteuerte. Er war offensichtlich auf dem Sprung. »Gibt’s Probleme?«
»Nur ein kleines. Wir erwarten mit der Morgenfähre ein paar Camper, und andere Gäste reisen ab. Ich hab’ gerade den Anruf bekommen, daß die Familie gepackt hat und abreisefertig ist, aber niemand da ist, der sie auschecken kann.«
»Ist Ginny nicht im Empfangshäuschen?«
»Nein, da meldet sich keiner. Und auch bei ihr zu Hause ist niemand. Ich nehme an, daß sie verschlafen hat.« Kate brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Wo auch immer. Scheint so, als hätte das Lagerfeuer noch ’ne Weile gebrannt.«
»Als ich gegen Mitternacht gegangen bin, hat’s jedenfalls noch ordentlich
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