Insel der sieben Sirenen
Mörderin hinterlassen .«
Ich nickte. »Begreiflich, Sir.
Und vielleicht begreift das auch der Mörder .« Ich sah
ihn offen an und hoffte, daß er meine Andeutung verstand.
»Sie meinen Joyce«, flüsterte
er heiser. »Natürlich. Sie hat geschworen, daß sie mich daran hindern würde,
ihnen mein Vermögen zu hinterlassen — und das ist ihre Methode .« Er rang die Hände und ließ sich in den Polsterstuhl
zurücksinken. »Mr. Roberts«, fuhr er aufgeregt fort, »wir müssen irgendwie
Hilfe herbeiholen. Joyce muß in Gewahrsam genommen werden. Sie ist eine böse,
zum Äußersten entschlossene Frau und rachsüchtig. Jetzt begreife ich auch, was
sie vorhat: die Mädchen umzubringen, nur um mir zu trotzen .«
»Möglich wäre es«, stimmte ich
milde zu. »Aber wir wissen es nicht genau, Mr. Bradstone. Falls Sie sich mit
einem kleinen Täuschungsmanöver einverstanden erklären, könnte uns das
weiterhelfen. Außerdem müssen wir sowieso warten, bis uns jemand von sich aus
zu Hilfe kommt .«
»Wenn wir damit ihre Schuld
beweisen können, bin ich mit allem einverstanden, Mr. Roberts .«
»Zumindest könnten wir
verhindern, daß weitere Morde geschehen«, sagte ich. »Worum ich Sie bitte — eröffnen
Sie ihr, daß Sie es sich anders überlegt haben. Daß Sie ihr fünfzehn Prozent
des Vermögens hinterlassen .«
»Niemals !« rief der Alte und wurde puterrot. »Das würde ich niemals tun, und sie weiß es
auch .«
»Sie wird es schon glauben,
wenn Sie es ihr geschickt erzählen«, fuhr ich hastig fort. »Sagen Sie ihr, ich
hätte Ihnen wegen der angreifbaren Position Ihrer möglichen Tochter geraten,
mit ihr zu einem Vergleich zu kommen, damit sich spätere Prozesse erübrigen.
Daß Sie sich bereiterklären, ihr fünfzehn Prozent des Gesamtvermögens zu
vererben, wenn sie schriftlich auf alle weiteren Ansprüche verzichtet .«
Der alte Mann kaute
nachdenklich auf seiner Unterlippe. Man konnte sehen, daß ihm der Plan zusagte.
Er entsprach wohl ganz seiner hinterhältigen Art.
»Also gut, Mr. Roberts«, sagte
er schließlich. »Ich lasse sie sofort von Lofting holen. Sobald Sie gegangen
sind, eröffne ich ihr die Neuigkeit und lasse auch durchblicken, wie zuwider
mir dieser Vorschlag ist .«
»Genau«, nickte ich. »Aber da
wir gerade von Lofting sprechen — frage ich mich, ob
Sie ihm nicht ins Gewissen reden sollten .«
Bradstone zog die weißen Brauen hoch. »Weshalb, Mr. Roberts?«
»Er ist ein bißchen zu eifrig«,
sagte ich mit klassischem Understatement. »Gestern nacht überraschte ich ihn
mit einer der jungen Damen im Keller .«
»Wirklich! Mr. Roberts, das
kann ich nicht glauben«, schnaufte der alte Mann. Er mußte mehrmals bellend
husten, dann blickte er mit wäßrigen Augen zu mir auf. »Was genau wollen Sie
damit andeuten? Daß Lofting sich an einer Dame vergreifen würde? In den dreißig
Jahren, die ich ihn kenne, hat er nicht ein einziges Mal Interesse an diesem
Geschlecht gezeigt .«
»Er war auch nicht gerade
versiert bei seinem Annäherungsversuch«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Und der
Inbegriff dessen, was er unter Gewaltanwendung versteht, ist eine Peitsche .«
»Eine Peitsche!«
»Ja, aber er glaubte, zu Ihrem
Besten zu handeln. Er wollte die Wahrheit aus dem Mädchen herausprügeln. Wenn
Sie ihn ersuchen, die Befragungen mir zu überlassen, könnten Sie sich
wenigstens ein paar Anzeigen wegen Körperverletzung ersparen, selbst wenn es
etwas länger dauert, ehe wir Ihre Tochter finden .«
»Natürlich, Mr. Roberts, ich
spreche mit ihm .« Bradstone grinste spitzbübisch. »Der gute alte Lofting. Also helfen wollte er mir, eh? Und ich
dachte immer, er haßt mich !«
»Mein Eindruck ist ganz und gar
das Gegenteil«, sagte ich überrascht. »Wieso kommen Sie auf die Idee...«
Der alte Mann winkte ab.
»Unwichtig, unwichtig. Lassen wir das«, sagte er gebieterisch. »Es ist wie bei
einem alten Ehepaar, müssen Sie wissen. Niemand kann dreißig Jahre lang mit
einem Menschen zusammenleben, ohne alle seine Fehler zu kennen. Lofting kennt
die meinigen. Verstehen Sie ?« Er grinste abstoßend,
seine blassen Augen wirkten heausfordernd .
»Das kann ich nicht beurteilen,
ich habe noch mit niemandem dreißig Jahre lang zusammengelebt«, sagte ich.
Im Wohnzimmer fand ich Cheryl,
die geheimnisvolle Nymphe, die mich auf dieser Elendsinsel empfangen hatte. Sie
saß mit einem Glas in der Hand in einem wuchtigen Sessel und starrte aus dem
Fenster in die grauen Wolken und windzerzausten
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