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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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Ausgestoßene in dem Land, das ihre Ahnen für sie bestimmt hatten – und von Johns gnädigem und freundlichem Gott, der ihnen Trost spenden sollte, war nichts zu sehen.
    Mandarg wurde schläfrig in der Sonne, und als das Summen der Insekten sich über die pochende Hitze legte, dachte er an die alte Lebensweise. Die Geister umkreisten ihn, er spürte, wie sie näher kamen, und stimmte ein Lied an, das seit der Traumzeit weitergegeben worden war. Er trat mit den Ahnen in Verbindung, pulsierende Energie durchdrang ihn. »Gebt mir ein Zeichen«, murmelte er, »und ich werde tun, was ihr wollt.«
    Die Zeit verlor ihre Bedeutung, während er dort saß, doch ein leises, tiefes Kratzen und das Rascheln von Federn brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück. Mandarg schlug die Augen auf und schaute verwundert auf das Wesen, das die Geister ihm geschickt hatten.
    Die Graseule starrte ihn mit kleinen schwarzen Augen an, die von Tränenspuren gezeichnet schienen. Ihre Brust war schneeweiß, ihre Flügel glitzerten braun und orange, und ihre herzförmige Gesichtsmaske hatte einen ockerfarbenen Rand.
    »Herzlich willkommen, du Schöne der Geister«, flüsterte er. »Lowitja hat gesagt, du würdest kommen. Welche Botschaft bringst du?«
    Ihr starrer Blick war durchdringend, hypnotisch. Dann breitete sie die Flügel aus und kreiste schweigend über seinem Kopf.
    Mandarg stand auf. Die weiße Eule war sein Totem, das ihm indem Augenblick geschenkt wurde, als er im Bauch seiner Mutter lebendig wurde. Sie war ein Geschöpf der Nacht, ein Vogel, der im Land des Kakadu lebte, doch sie war an diesem strahlenden Tag weit nach Süden geschickt worden, um ihn zu führen.
    Auf einmal hatte er das Bedürfnis, sich von allen Einflüssen des weißen Mannes frei zu machen. Er trat die Stiefel zur Seite und zog die unbequemen Kleidungsstücke aus. Nackt und stolz stand er da und verfolgte den Flug der Eule, die sich in immer größeren Kreisen in die Höhe schraubte.
    Sie flog auf dem heißen Wind, ihre glänzenden schwarzen Augen suchten nach Beute. Dann stieß sie herab, die langen gelben Beine ausgestreckt, die Krallen gespreizt.
    Mandarg hielt den Atem an. Er verstand, was sie ihm sagen wollte: Falls sie die Beute fing, sollte er Rache üben, wenn nicht, musste er das Nomadenleben wieder aufnehmen und alles vergessen, was geschehen war.
    Die Eule schoss wie ein Pfeil vom Himmel herab, die Augen auf das Opfer gerichtet, das er im hohen Gras nicht sah. Dann erhob sie sich wieder mit einem Triumphschrei, eine Echse fest in den Krallen.
    Mandargs Blick folgte ihrer Bahn. Wieder zog sie einen Kreis über ihm und ließ sich dann auf dem abgebrochenen Ast vor ihm nieder. Er schaute in ihre Augen. Die Eule ließ ihren Fang vor seine Füße fallen, und er wusste, was er zu tun hatte.
    Als sie wieder aufflog, nahm er die Echse, steckte sie in den Fasergürtel, den er nie abgelegt hatte, und folgte der Eule in den Schutz des Busches. Die Geister hatten gesprochen, wie Lowitja es vorausgesagt hatte. Jetzt würde er allein wandern und die Spiritualität und den Stolz zurückgewinnen, die er einst besessen hatte. Er würde die alten Weisen wieder lernen – und er würde auf den nächsten Befehl warten.

Sechster Teil
    D er bittere K elch

Zwanzig
     
    Im Busch, August 1810
    A n diesem frischen, hellen Morgen drangen einzelne Sonnenstrahlen durch die Überreste des nächtlichen Nebels bis auf den Boden des Busches. Die Luft war erfüllt vom Gesang der Vögel, während die Reiter ihren Weg zwischen den Bäumen hindurch suchten.
    Edward bemerkte den mangelnden Eifer seiner beiden älteren Söhne, und die vertraute Ungeduld überkam ihn. »Bummelt nicht so«, rief er. »Bei dem Tempo ist unsere Beute längst verschwunden, bis wir ankommen.«
    Harry und Charles tauschten vielsagende Blicke und trieben ihre Ponys zum Trab an. »Können wir die Kängurus nicht einfach nur beobachten, Papa?«, fragte Charles, sobald sie ihn eingeholt hatten. »Ich mag sie nicht töten, wenn sie Junge im Beutel haben.«
    Edward schnaubte. »Sie sind Schädlinge.« Er griff nach der Feldflasche, die er immer an seinem Gürtel bei sich trug, und trank. »Sie zu töten ist das einzig Richtige.« Er sah den Ekel auf Charles’ Gesicht, und trotz seiner besten Absichten, sich heute nichts anmerken zu lassen, überfiel ihn sein alter Zorn. »Die Felle bringen das Geld ein, das dir Nahrung und Wohlstand sichert – und ich habe nicht den Eindruck, dass du über beides auch die Nase

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