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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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Herzen, dass ich zurücknehmen könnte, was ich gestern zu dir gesagt habe«, begann sie und streckte unwillkürlich eine Hand aus, zog sie aber wieder zurück, ohne Nells Arm zu berühren. Sie wusste, die Geste würde zurückgewiesen werden. »Und ich wünschte, ich hätte das Kind retten können.«
    »Du hast getan, was du konntest«, murmelte Nell vor sich hin, »aber es ist nicht leicht, dankbar zu sein, wenn man ein Kind beerdigen muss.«
    Nell nahm den Becher und trank ihn leer, und Alice war klar, dass es Nells Art war, ihre Hilfe anzuerkennen. Bis Nell ihr jedoch verzieh, würde noch ein mühsamer Weg zurückzulegen sein. Mehr als nur ein paar Worte waren notwendig, um die Kluft zu überbrücken, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte.
    Als Friedhof von Moonrakers war, ein gutes Stück vom Fluss entfernt, ein halber Morgen Land vom übrigen Weideland durch einen Lattenzaun und eine Reihe von Zimtahornbäumen abgetrennt. Ein einziges einfaches Holzkreuz stand im hohen Gras: eine Erinnerung an einen Sträflingsarbeiter, der nach einem Schlangenbiss gestorben war.
    Am Horizont schien die Luft zu flimmern, als sie sich an der Grabstätte versammelten. Wie eine gewaltige Woge hatte sich die Hitze über das Land ergossen und ließ jetzt die silbernen Blätter der zarten Eukalyptusbäume verwelken. Die Sonne brannte vom bleichen Himmel herab, und über dem allgegenwärtigen Summen der Fliegen vernahm Nell das traurige Krächzen von Krähen, das in der erstickenden Stille widerhallte.
    Nell lehnte sich schwer an Billy, als Jack aus der Bibel vorlas und ihr Baby in der dunklen Erde zur ewigen Ruhe gebettet wurde. Die Worte bedeuteten ihr wenig: Sie hatte nie begriffen, warum Gott liebevoll und allwissend sein sollte und trotzdem zuließ, dass Säuglinge starben und unschuldige Kinder zu Schaden kamen. Das Fieber, das in ihr wütete, machte es ihr schwer, sich zu konzentrieren, doch trotzdem kam ihr die bittere Erkenntnis, dass ihr Kind in ungeweihtem Boden liegen würde und dass kein Pfarrer es mit Ritualen und Gebeten ins Jenseits geleiten würde, was auch immer dort zu erwarten war.
    Sie warf einen Blick auf die Eingeborenen, die sich unter den Bäumen versammelt hatten und mit offener Neugier zusahen. Sie hatten ihre eigenen Rituale, ihren eigenen Glauben, und Nell fragte sich flüchtig, ob diese primitiven Menschen nicht ein besseres Verständnis von Tod hatten. Er kam im Schrei der Brachvögel zu ihnen und mit einem Lied, das man nicht überhören konnte. Man verbrannte die Leiche oder ließ sie im Freien liegen, so dass der Geist in den Staub zurückkehren konnte, aus dem er gekommen war. Doch zu ihren Trauerritualen gehörte auch ein Fest. Die Eingeborenen glaubten, dass der Tod am Anfang ihrer letzten Reise in den Himmel stand, wo sie ihre Ahnen treffen und sich mit den Sternen vereinen würden.
    Nell bemühte sich, den Gebeten der anderen zu folgen, doch in der Hitze dröhnte ihr der Kopf und dunkle Wolken des Vergessens vernebelten ihr Bewusstsein. Sie schwankte und wäre gestürzt, wenn sie sich nicht an Billys Arm geklammert hätte. Das Fieber ergriff weiter Besitz von ihr, trotz der Beeren, die Gladys ihr gegeben hatte, doch der Teufel sollte sie holen, wenn sie sich jetzt schon geschlagen gäbe.
    Mit verschwommenem Blick schaute sie zu Alice hinüber, und ein Gedanke ließ sie nicht los. Es war ihnen gut gegangen, bis sie kam. Moonrakers war ein sicherer Hafen gewesen, ein Zuhause fern der hässlichen Stadt, eine Zuflucht vor der Vergangenheit. Sie blinzelte, um eine klare Sicht zu bekommen, denn Alice schien in den Hitzewogen hoch aufzuragen, und Nell sah ihre Gestalt abwechselnd deutlich und unscharf, wie ein Gespenst. »Sie bringt Unglück«, murmelte sie. »Sie hat den bösen Blick.«
    Sie schaute zu Billy auf, doch er hatte sie nicht gehört. Wieso merkte er nicht, dass Alice sie alle vernichten würde?
    Jack klappte die Bibel zu, und zwei Sträflinge begannen, Erde auf den Sarg zu schaufeln. Als sie fertig waren, wurde ein grobes Holzkreuz in den Boden getrieben. Die Inschrift war unbeholfen eingeritzt und gab nur eine dürftige Auskunft: »Ein Sohn. Tot geboren im November 1797«. Der sanfte Erdhügel hob sich vom silbrigen Gras deutlich ab, doch als sie ihn mit den dunkelroten Felsbrocken bedeckten, die überall herumlagen, sah er allmählich so aus, als gehörte er hierher.
    Nell beschloss, sich später mit Alice zu beschäftigen, und zwang sich zur Konzentration. Schwer stützte sie sich auf

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