Insel der Traumpfade Roman
bricht es auch das Herz, aber es gibt keine Lösung für uns.«
»Doch.«
Sie wand sich aus seiner Umarmung. »Du klingst so grimmig.«
»Weil ich dich keine Minute länger bei diesem Mann lassen werde.« Er versuchte, das, was er wusste, in die richtigen Worte zu kleiden.
»Er ist mein Mann, und es ist meine Pflicht, bei ihm zu bleiben.«
Er schüttelte sie sanft. »Er hat eine Frau vergewaltigt, Eloise.«
Sie rückte von ihm ab. »Alle Anklagen wurden fallen gelassen. Edward war zu Unrecht beschuldigt, und die Sträflingsfrau war nachweislich eine Lügnerin.«
George starrte sie ungläubig an. »Du wusstest von der Gerichtsverhandlung?«
»Von Anfang an«, sagte sie. »Edward hat mir davon erzählt, nachdem mir die Gerüchte zu Ohren gekommen waren.«
»Hat er dir erzählt, dass er danach für fünf Jahre ins Hinterland im Norden verbannt wurde?«
»Er ist nicht verbannt worden«, erwiderte sie. »Sein Kommandeur brauchte dort eine kleine Truppe, und er hielt es für das Beste, wenn Edward sie anführte, damit in der Zwischenzeit Gras über die ganze Sache wachsen konnte.«
»Und du hast ihm geglaubt?«
»Man kann Edward manches vorwerfen, aber ich halte ihn einer solchen Gräueltat nicht für fähig. Sonst hätte ich ihn nicht geheiratet.« Sie zog die Knie an, als wollte sie weitere Angriffe abwehren. »Edward hat seine Fehler, und nicht zu wenige, aber er ist mein Mann und der Vater meines Sohnes. Mein Eheversprechen bedeutet, dass ich nicht frei bin und es nie sein werde.«
Er wollte ihr von Millicent und Ernest erzählen, die Pein seiner Eltern beschreiben, ihr schildern, wie Jonathan Cadwallader den Ruf seiner Mutter besudelt hatte – doch als er in ihr entschlossenes kleines Gesicht schaute, wusste er, dass er es nicht konnte. Eloises Glaube an die Unschuld ihres Mannes war durch nichts zu erschüttern. Es hätte keinen Zweck, seiner Wut Luft zu machen.
»Bitte, George«, flüsterte sie. »Lass uns nicht im Zorn auseinandergehen. Es ist zu schmerzhaft.«
»Tut mir leid, Liebste. Kannst du mir verzeihen?«
»Natürlich.«
George zog sie herab, bis sie auf der Decke lagen. In der Stille der Waldlichtung tauschten sie zarte Küsse aus. Ihre Vereinigung an jenem Tag war schöner als jede zuvor – weil es das letzte Mal war.
George sah ihr nach, als sie fortritt. Sie hatte den Kopf hoch erhoben, doch er wusste, dass sie weinte. Sehnsüchtig wartete er darauf, dass sie sich nach ihm umdrehte, und war sich gleichzeitig bewusst, dass sie es nicht konnte.
»Lebwohl, mein Schatz«, murmelte er vor sich hin, als sie außer Sichtweite war.
Er schwang sich in den Sattel, zögerte aber noch, die Lichtung zu verlassen. Es war deutlich geworden, dass Eloise nur sehr wenig über Edwards Prozess wusste. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie tief Georges Familie darin verstrickt war. Sie hatte unter den gegebenen Umständen die einzige ihr mögliche Entscheidung getroffen, und er war gezwungen, sich damit abzufinden.
Die Sonne stand jetzt tiefer und die Bäume warfen lange Schatten. Vögel stiegen zu ihrem letzten Flug an jenem Tag auf. Die Luft war erfüllt vom Geschnatter der Papageien und Loris, dem leisen Ruf der Elstern und dem rauen Gelächter der Rieseneisvögel. Das Orchester der Natur, dissonant und melodiös zugleich, spielte zum Finale auf.
Elf
Moonrakers, September 1798
S ei vorsichtig, Nell«, sagte Alice. »Wenn du zu viel abschneidest, verlieren wir Geld.«
Nell biss die Zähne zusammen und widerstand dem Drang, die unhandliche Schere auf den Sortiertisch zu donnern. Sie gab sich die größte Mühe, verdammt, und wenn Alice aufhören würde, ihre Nase in alles reinzustecken, würde sie viel schneller vorankommen. Wütend betrachtete sie die frisch geschorene Wolle auf dem Tisch und hätte sie am liebsten zu Boden gefegt. Im Schuppen herrschte schweißtreibende Hitze, und der Lärm bereitete ihr Kopfschmerzen. Warum musste ausgerechnet sie die Zotteln aus der Wolle schneiden?
»Ich weiß, es ist eine Drecksarbeit«, sagte Alice freundlich. »Soll ich es dir abnehmen, damit du dich ein bisschen ausruhen kannst? Du bist schon den ganzen Tag hier.«
»Du doch auch.« Nell war fest entschlossen, trotz der Schmerzen im Rücken durchzuhalten. Sie wischte sich mit einer Armbewegung den Schweiß aus dem Gesicht. »Danke«, lehnte sie ab, »aber der Tag ist fast vorbei, und es ist nicht mehr viel zu tun.«
»Wenn du Hilfe brauchst, ruf mich«, sagte Alice.
Nell sah ihr nach, wie sie ans
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