Insel der Traumpfade Roman
denn den Engländern getan, um so eine Strafe aufgebrummt zu bekommen?«
Niall schloss die Augen, als ihn die Erinnerungen überfluteten. »Meine Brüder haben bei Wexford gekämpft«, begann er. »Ich habe ihnen etwas zu essen in ihren Unterschlupf gebracht, und ich Idiot habe nicht gemerkt, dass mir die Rotröcke gefolgt sind.«
»Wexford, ja? Ich habe von der Schlacht am Vinegar Hill gehört – ich wünschte, ich hätte dabei sein können.« Er betrachtete Niall neugierig. »Was ist passiert?«
»Meine beiden ältesten Brüder wurden wegen Volksverhetzung gehängt, und mein anderer Bruder und ich wurden auf die Minerva gesteckt. Er ist lebenslang auf Norfolk Island.« Nialls Hass auf die Engländer brannte in seinen Eingeweiden. Seine Familie war auseinandergerissen worden, und loyale Iren saßen im Gefängnis oder mussten sterben, weil sie gegen die Tyrannei Englands gekämpft hatten.
»Auf der Insel sind viele gute Männer«, sagte Paddy düster. Dann fiel ihm etwas ein. »Du musst mit Joseph Holt und James Harrold gefahren sein, wenn du auf der Minerva warst. Stimmt es, dass sie große Anführer der Vereinten Iren sind?«
»Stimmt.« Bei der Erinnerung an seine Helden kam Stolz in Niall auf. »Sie sind zwar auf Norfolk Island, aber das hält sie nicht davon ab, für unsere Sache zu kämpfen«, sagte er zuversichtlich.
Paddy grinste und stand auf, sobald sie wieder an die Arbeit gerufen wurden. »Mit Gottes Segen und dem Glück der Iren wollen wir es hoffen, Niall. Auf der Farm gibt es Männer, die eine Flucht planen, und wenn ich älter bin, werde ich mitmachen. Ich habe nicht vor, noch lange das Feld eines Engländers zu pflügen.«
Niall legte seine Hand an den Pflug und blinzelte in die Sonne. Paddy redete von einem Aufstand, und allein der Gedanke daran war aufregend.
Sydney Town, November 1798
Alice eilte durch die Stadt. In Gedanken ging sie die Liste der Sachen durch, die sie noch einkaufen musste, bevor sie mit Jack nach Moonrakers zurückkehrte. Plötzlich wurde sie von jemandem, der aus einem Hauseingang trat, fast auf die Straße gestoßen. Eine feste Hand fing sie ab und zog sie wieder auf den Bürgersteig. »Entschuldigen Sie bitte vielmals, Ma’am.«
Alice erkannte die Stimme sofort wieder. »Du meine Güte«, stieß sie hervor. »Mr Carlton, wie er leibt und lebt.«
Er lüpfte den Hut. »Miss Hobden! Darf ich mich erneut für meine Rücksichtslosigkeit entschuldigen? Ich war äußerst unachtsam.«
»Ich bin inzwischen Mrs Quince«, korrigierte sie ihn, »und Sie müssen sich nicht entschuldigen, denn Sie haben mich ganz gekonnt gerettet.«
»Es muss an der vielen Übung liegen, die ich an Bord hatte«, erwiderte er, und seine grauen Augen strahlten vor Vergnügen. »Ich muss mich wohl nicht nach Ihrer Gesundheit erkundigen, Mrs Quince, denn Sie sind förmlich aufgeblüht. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihnen das Leben in der Wildnis gefällt?«
»Es ist harte Arbeit, doch die Landwirtschaft ist überall gleich.« Sie neigte den Kopf und betrachtete ihn. Noch immer umgab ihn eine Aura von Macht, die sie anfangs eingeschüchtert hatte, doch bei näherer Bekanntschaft hatte sie es als eine Facette dieses interessanten Mannes hingenommen. »Wie ich sehe, geht es Ihnen ebenfalls gut«, stellte sie fest. »Australien bekommt Ihnen.«
»Es hat gewisse Reize«, stimmte er ihr zu und versuchte, eine lästige Fliege zu verscheuchen, »obwohl mir lieber wäre, wenn es hier weniger Insekten gäbe.«
Alice lächelte. »Was hält Sie also hier, Mr Carlton?«
»Nennen Sie mich doch bitte Henry. Wir sind schließlich nicht in feiner Gesellschaft und müssen nicht die Form wahren.« Er warf einen schiefen Blick auf eine Gruppe Aborigines, die sich in der Nähe mit zwei asiatischen Seemännern um eine Flasche Rum balgten.
Ihr war nicht entgangen, dass er ihrer Frage ausgewichen war, und sie kam zu dem Entschluss, dass sie seine Beweggründe auch nichts angingen. »Das haben Sie mir schon einmal vorgeschlagen, Mr Carlton, aber jetzt, da ich verheiratet bin, wäre es nicht richtig, Sie mit Vornamen anzureden.«
Er brach in schallendes Gelächter aus, was die Blicke mehrerer Passanten auf sie lenkte. »Sie und Ihr Sinn für Anstand«, prustete er. »Ich bewundere Sie ja so, Mrs Quince. Würden Sie denn auf einen Tee mit in meine Unterkunft kommen?«
»Das kann ich unmöglich«, stammelte sie. »Mein Mann wartet auf mich, und ich habe noch viel zu erledigen, bevor wir die Stadt
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