Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
leise. »Trotzdem glaubte man ihr.«
    »So steht es also, mein armer Richard. Wir haben alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Die Belohnung ist dir allerdings sicher. Sie kann nicht gepfändet werden, weil sie nichts mit der Straftat zu tun hat, für die du verurteilt wurdest. Ich weiß, dass du noch ein paar Guineen hast, aber bei meinem nächsten Besuch bringe ich dir eine neue Kiste mit, bei der das Geheimfach in die Längsseite eingebaut ist - man sagte mir, dass Deckel und Böden eher überprüft werden als Seitenwände. Das Fach wird in Baumwolle verpackte Goldmünzen enthalten, die nicht klimpern, auch wenn die Kiste noch so gründlich geschüttelt oder abgeklopft wird. Auf Grund der Baumwolle klingt die Seitenwand auch nicht hohl.«
    Richard ergriff die Hände von Vetter James und hielt sie fest. »Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber ich kann dir gar nicht genug danken, Vetter James. Was wäre ohne dich aus mir geworden?«
    »Ohne ihn wärst du jedenfalls viel dreckiger, Schätzchen«, sagte
Lizzie Lock, nachdem Vetter James gegangen war. »Er bringt dir Filtersteine, Seifen, Teeröl und den ganzen Krimskrams für deine Rituale. Du erinnerst mich an einen Priester, der die Messe zelebriert.«
    »Sauberkeit geht ihm wirklich über alles«, fügte Bill Whiting neckend hinzu. »Das ist doch gar nicht nötig, Richard, Schätzchen - sieh uns an.«
    »Ach übrigens, Bill, ich sah dich neulich um meine Schafe herumschleichen«, sagte Betty Mason, die für Hubbard eine Herde hütete. »Lass sie gefälligst in Ruhe.«
    »Ich habe doch sonst niemanden außer Jimmy und Schätzchen Richard.« Schätzchen war inzwischen Richards Spitzname. »Und die wollen nicht mit mir schlafen. Übrigens habe ich gehört, dass unsere ganze Steineschlepperei wohl umsonst ist - der alte Hubbard sagt, es gäbe ganz neue Pläne für das neue Gefängnis.«
    »Das habe ich auch gehört.« Richard tunkte ein Stück altbackenes Brot in den Rest seiner Suppe.
    Jimmy Price seufzte. »Wir sind wie der Dingsda - wie heißt er gleich? -, der den Felsbrocken immer wieder den Berg hinaufrollen musste, weil er jedes Mal wieder herunterkam. Herrgott, es wäre schön, wenn unsere Plackerei wenigstens einen Sinn hätte.« Er sah zum anderen Ende des Tisches hinüber, den die Alten zäh gegen die Neuen verteidigten. Dort saß in sich zusammengesunken Ike Rogers. »Ike, du musst etwas essen. Sonst bekommt der hungrige Richard deine Suppe. Mir ist nicht aufgefallen, dass die anderen fünf Galgenvögel ebenfalls den Appetit verloren hätten oder sich große Sorgen machen. Iss, Ike, iss! Du wirst nicht hängen, das schwöre ich dir.«
    Ike gab keine Antwort. Von dem großmäuligen Rabauken von früher war nichts übrig geblieben. Straßenräuber galten als die Helden unter den Verbrechern, doch Ike konnte sich offenbar weder mit seinem Schicksal abfinden noch die trotzige Haltung der fünf anderen Todeskandidaten teilen.
    Richard setzte sich neben ihn auf die Bank und legte ihm den Arm um die Schultern. »Iss, Ike«, sagte er aufmunternd.
    »Ich hab keinen Hunger.«

    »Jimmy hat Recht. Du endest nicht am Galgen. Seit über zwei Jahren wird in Gloucester keiner mehr gehängt, obwohl viele zum Galgen verurteilt wurden. Hubbard braucht Häftlinge, die für zwei Schillinge und sechs Pennys die Woche arbeiten. Freie Arbeiter aus Gloucester kosten zwölf Schillinge.«
    »Ich will nicht sterben!«
    »Das wirst du auch nicht, Ike. Jetzt trink deine Suppe.«
    »Was für ein Pessimist Ike ist«, sagte Bill Whiting am nächsten Tag beim Steineschleppen. »Er stolziert die ganze Zeit in seinen Reitstiefeln herum, nur damit niemand sie ihm klaut. Herrje, seine Füße müssen vielleicht stinken! Er schläft sogar in ihnen.« Bill fröstelte plötzlich. »Wenn er hängt, dann hänge ich auch. Eigentlich ungerecht, oder? Seine Beute war fünftausend Pfund wert, mein Schaf nur zehn Schillinge.«
    Acht der Häftlinge bildeten inzwischen eine verschworene Gemeinschaft: die vier Frauen, Bill, Richard, Jimmy und der einfältige Joey Long. Bei dem Gedanken, dass vier von ihnen den Jahreswechsel vielleicht nicht mehr erleben würden, lief auch Richard ein Schauer über den Rücken.
    Doch drei Tage nach Weihnachten wurden alle sechs zum Tode Verurteilten begnadigt. Ihre Strafen wurden in vierzehn Jahre Deportation umgewandelt - nach Afrika, wohin auch sonst? Die Häftlinge brachen in Freudengeschrei aus, doch Ike Rogers war nie wieder der Alte.
     
    Richard hatte das Jahr 1785 von

Weitere Kostenlose Bücher