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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Anfang bis Ende im Gefängnis verbracht. An Silvester erhielt er einen Brief von Mr James Thistlethwaite.
    Es tut sich was in Westminster, Richard. Es kursieren alle möglichen Gerüchte. Das hartnäckigste, das deine Zukunft betrifft, besagt Folgendes: Zur Deportation nach Afrika verurteilte Häftlinge der Gefängnisse außerhalb Londons sollen auf die Gefangenenschiffe in der Themse verlegt und so bald wie möglich nach Übersee transportiert werden, aber nicht über den Großen Teich, den Oceanus Atlanticus der Landkarten.
Stattdessen ist in Gerüchten, die jeden Tag lauter werden, vom östlichen Ozean die Rede - dem so genannten Oceanus Pacificus, von dem es kaum Karten gibt.
    Vor gut zehn Jahren schickten die Königliche Akademie der Wissenschaften und die britische Admiralität einen Kapitän namens James Cook nach Tahiti, um den Durchgang der Venus vor der Sonne zu beobachten. Dieser Cook entdeckte auf seinen Forschungsreisen ein Paradies nach dem andern. Für seine Neugier wurde er schließlich auf den nach Lord Sandwich benannten Inseln von Eingeborenen erschlagen. Das Paradies, von dem ich jetzt sprechen will, erinnerte Captain Cook an die Küste von Südwales, daher nannte er es Neusüdwales. Wirklich sehr phantasievoll! Auf Karten ist es als »Terra Incognita« oder »Terra Australis« verzeichnet. Wie weit es sich von Osten nach Westen erstreckt, weiß niemand genau, doch von Norden nach Süden sind es 2000 Meilen. Auf ungefähr demselben Breitengrad, auf dem der neue amerikanische Staat Georgia liegt, allerdings nicht nördlicher, sondern südlicher Breite, entdeckte der ehrgeizige Kapitän eine Bucht, die er »Botany Bay« nannte, weil der Präsident der Königlichen Akademie Sir Joseph Banks dort mit Dr. Solander, einem Schüler des Linnaeus, an Land ging, um für botanische Studien Pflanzen zu sammeln.
    Ein Herr korsischer Abstammung namens James Maria Matra hat unsere Behörden als Erster auf die Idee gebracht. Es folgten zahllose Unterredungen mit Sir Joseph Banks, der Autorität auf allen Gebieten von der Geburt Christi bis zur Sphärenmusik - mit dem Ergebnis, dass Mr Pitt und Lord Sydney nun davon überzeugt sind, die Antwort auf die drängende Frage, was mit deinesgleichen geschehen soll, gefunden zu haben: Ihr sollt in die Botany Bay gebracht werden. Allerdings sollt ihr nicht einfach an der Küste ausgesetzt werden, wie es in Afrika geschah. Ihr sollt ein fruchtbares Land, das bisher weder Franzosen noch Holländer noch Spanier betreten haben, mit Engländern bevölkern. Ich habe noch nie gehört, dass ein Land von Sträflingen besiedelt wurde, doch genau
das scheint die Regierung Seiner Majestät in der Botany Bay vorzuhaben. Ich bin allerdings nicht sicher, ob »besiedeln« in diesem Zusammenhang das richtige Wort ist. Mr Pitts Wort meint wohl eher »abladen«. Wenn das Experiment funktioniert, kann England die Botany Bay in Zukunft als Sträflingsdeponie benutzen und zwei Ziele gleichzeitig erreichen. Das Erste und weitaus Wichtigere ist, mit der Deportation englischer Sträflinge ans andere Ende der Welt auch die Probleme, die sie hier verursachen, ein für alle Mal loszuwerden. Das Zweite ist die Gründung einer neuen Kolonie, über der der Union Jack weht, auch wenn sie keinen wirtschaftlichen Gewinn verspricht - ein Schachzug, der die Bedenken unserer vielen Weltverbesserer zerstreuen soll.
    Sei also darauf gefasst, dass du nicht mehr lange in Gloucester bist, Richard. Ich habe bereits Vetter James, dem Apotheker, geschrieben, dass er dich bald besuchen und mit allem versorgen soll, was du dort zum Leben brauchst. Und mach dich auf einen Schock gefasst. Sobald du die in der Nähe des Königlichen Zeughauses in Woolwich vertäuten Gefangenenschiffe betrittst, bist du in London ! Es gibt mehrere solche Schiffe auf der Themse, doch nur drei davon kommen für euch in Frage: die Censor und die Justitia , die schon seit zehn Jahren dort liegen und oft von Mr John Howard inspiziert und beanstandet wurden, und die Ceres , die erst jetzt in Dienst gestellt wird. Die Aufsicht über die Schiffe wurde einem Londoner Spekulanten namens Duncan Campbell übertragen - einem geschäftstüchtigen Schotten natürlich. Leider muss ich dir mitteilen, dass es auf diesen Schiffen keine Frauen gibt, die für das leibliche Wohl der Männer sorgen und einen besänftigenden Einfluss auf sie ausüben könnten. Die Schiffe sind schwimmende Höllen! Ich weiß, das ist eine Hiobsbotschaft, aber du bist ein Hiob,

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