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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Richard, und besser ein Hiob, der weiß, was ihn erwartet. Gib gut auf dich Acht.
    »Ich habe Neuigkeiten«, sagte Richard und legte den Brief hin.
    »Was denn für welche?«, fragte Lizzie, die friedlich einen
Strumpf stopfte. Es konnten keine schlechten Neuigkeiten sein, denn Richard wirkte ganz ruhig.
    Sie ließ den Strumpf sinken und betrachtete Richard liebevoll. Sie wusste nichts über ihn, denn er hatte nichts von sich erzählt. Nur den Grund seiner Verhaftung hatte er genannt. Sie liebte ihn, doch würde sie nie mit ihm schlafen. Sie hatte Angst, schwanger zu werden, denn sie wusste, sie würde es nicht ertragen, ihr Kind sterben zu sehen.
    Der neue Hut, eine atemberaubende Kreation aus schwarzer Seide und scharlachroten Straußenfedern, saß schräg auf ihrem Kopf. Richard hatte ihn ihr an Weihnachten überreicht, aber dazu gesagt, das Geschenk sei nicht von ihm, sondern von einem Mr James Thistlethwaite aus London, einem alten Freund. Der Mann sei Satiriker, also jemand, der unbeliebte Politiker, Prälaten und Beamten allein durch die Macht des geschriebenen Wortes klein und lächerlich machen konnte. Lizzie glaubte Richard aufs Wort. Da sie weder lesen noch schreiben konnte, kamen Leute, die mit diesen Fähigkeiten ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, für sie gleich nach Gott.
    Sie wandte sich wieder dem Loch in einem Strumpf von Hubbard zu und nahm die Stopfnadel auf.
    »Mein Satirikerfreund aus London schreibt, dass alle, die zur Deportation nach Afrika verurteilt wurden, von den Bezirksgefängnissen in die Gefangenenschiffe auf der Themse verlegt werden sollen. Das heißt, nur die männlichen Häftlinge. Er sagt nicht, was mit den Frauen geschehen soll.«
    Die Zelle war seit einiger Zeit unterbelegt. Das Scharlachfieber hatte so viele Opfer gefordert, dass um Michaelis keine Gerichtstage abgehalten worden waren. Die nächsten sollten im Januar 1986 um Dreikönig stattfinden - wenn bis dahin genügend Fälle zur Verhandlung anstanden.
    So hörten nur ungefähr zwanzig Leute Richards Neuigkeiten. Alle waren wie vom Donner gerührt. Wer noch auf seine Verhandlung wartete, hatte sich bald wieder gefasst, doch die anderen brauchten dazu eine Weile. Sie starrten Richard mit großen Augen an und wollten mehr wissen.

    »Warum?«, fragte Bill Whiting.
    »Irgendwo auf der Welt - ich weiß nicht genau, wo - gibt es einen Ort mit Namen Botany Bay. Dorthin sollen wir deportiert werden, vermutlich von London aus, weil man uns auf die Gefangenenschiffe in der Themse bringt und nicht nach Portsmouth oder Plymouth. Nur die Männer, wohlgemerkt. Obwohl offenbar auch Frauen in die Botany Bay geschickt werden sollen.«
    Bess Parker drückte sich an Ned Pugh, der weiß geworden war, und weinte. »Ned! Man will uns trennen! Was sollen wir bloß tun?«
    Alle taten, als hätten sie Bess nicht gehört, denn niemand fiel eine tröstliche Antwort ein. »Liegt die Botany Bay in Afrika?«, fragte Jimmy Price, um das Schweigen zu brechen.
    »Nein«, sagte Richard. »Es liegt weiter weg als Afrika oder Amerika. Irgendwo im Osten.«
    »Ostindien«, sagte Ike Rogers und schnitt eine Grimasse. »Heiden.«
    »Nein, nicht Ostindien. Die Botany Bay liegt tief im Süden und wurde erst vor ein paar Jahren von einem Captain Cook entdeckt. Jem schreibt, es sei ein Paradies, also kann es nicht so schlimm sein.« Richard überlegte. »Es muss auf dem Weg nach Tahiti liegen. Das war Cooks Ziel.«
    »Wo liegt Tahiti?«, fragte Betty Mason, die genauso unglücklich war wie Bess. Johnny, der Wärter, würde nicht in die Botany Bay deportiert werden.
    »Ich weiß es nicht«, gestand Richard.
     
    Am folgenden Tag, dem Neujahrstag 1786, wurden die bereits verurteilten Männer und Frauen in die Gefängniskapelle abkommandiert. Dort warteten bereits der alte Hubbard, Reverend Evans und drei Männer, die sie vom Sehen kannten, weil sie gelegentlich die Handwerksmeister aus London begleiteten, die die Bauarbeiten überwachten. John Nibbet war der Sheriff von Gloucester, die anderen beiden hießen John Jefferies und Charles Cole und wurden als Hilfssheriffs vorgestellt.
    Nibbet sprach für die anderen. »Das Innenministerium und
Innenminister Lord Sydney haben der Stadt Gloucester in Gloucestershire mitgeteilt, dass einige der Häftlinge, die zur Deportation nach Afrika verurteilt wurden, anderswohin deportiert werden sollen!«
    »Er hat kein einziges Mal Luft geholt«, murmelte Whiting.
    »Sei still, sonst kriegst du Prügel«, flüsterte

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