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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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wieder an Clifton und die Hotwells denken muss, Orte, an die ich lieber nicht erinnert werden möchte. Weniger wegen William Henry oder Ceely als wegen Annemarie Latour, mit der ich schlimm gesündigt habe. Ich sehe dir von hier aus an, wie du dich über meine Prüderie ärgerst, aber du warst damals nicht da und du hättest den Mann, der ich damals war, bestimmt nicht gemocht. Ich ließ mich zu sehr von meinen Trieben beherrschen. Kannst du das verstehen? Wenn nicht, wie kann ich es dir begreiflich machen? Ich liebte Annemarie nicht, ich besprang sie wie ein brünftiger Stier oder Hengst. Ich verabscheute das Objekt meiner tierhaften Begierde, das auch ein Tier war. Im Gefängnis von Gloucester sind alle zusammengesperrt - Männer, Frauen und Kinder. Allerdings wird hier mehr gevögelt als gestillt. Die meisten Säuglinge sterben, die armen kleinen Geschöpfe. Genauso bedauernswert sind die Mütter, die sie austragen und gebären, nur um sie zu verlieren. Zuerst war ich über die Anwesenheit der Frauen entsetzt. Doch im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass sie das Gefängnis von Gloucester erträglich machen. Ohne sie wären wir keine Menschen mehr, sondern rohe Bestien.
    Meine Frau heißt Lizzie Lock. Sie sitzt seit Anfang 1783 ein, weil sie Hüte gestohlen hat. Wenn sie einen Hut sieht, der ihr gefällt, klaut sie ihn. Uns verbinden weder romantische Gefühle
noch animalische Begierden. Wir führen eine rein platonische Freundschaft. Ich beschütze sie vor den anderen Männern und sie bewacht die Kiste mit meinen Sachen, während ich arbeite. Jem, könntest du, wenn deine finanziellen Mittel es erlauben, einen großen Hut für Lizzie besorgen? Rot oder rot-schwarz und möglichst mit Federn? Sie wäre im siebten Himmel.
    Irgendwie sind wir verlorene Seelen aus dem Gefängnis von Gloucester eine Familie. Wir haben ja sonst niemand. Wer verurteilt ist und die vielen Krankheiten überlebt hat, gehört dazu und genießt zur Verblüffung unserer Wärter sogar ein gewisses Ansehen. Es geht hier eben zu wie in einer Kleinstadt. Hubbard, der Oberaufseher, macht ein gutes Geschäft, da der Staat ihm für die arbeitenden Häftlinge dreißig Pennys pro Woche bezahlt. Auch die Frauen arbeiten. Sie bauen Gemüse an, halten Vieh und Geflügel, flicken Kleider und waschen. Andere Häftlinge sind nur vierzehn Pennys wert, wie die Schuldner in der Nachbarzelle. Etwas stimmt nicht an einem Rechtssystem, das einen Menschen ins Gefängnis bringt, weil er einem anderen weniger als ein Pfund schuldet, und ihn dann dort verrotten lässt, weil er nicht arbeiten kann, um das Geld zurückzuzahlen. Dank der Anstrengungen der Frauen sind wir gut genährt, sodass wir Hubbard wenig kosten. In Wirklichkeit verdient er nicht zehn, sondern hundert Pfund im Jahr, selbst nach Abzug der kleinen Zuwendungen an seine Günstlinge. Ich muss Schluss machen. Selbst mein besonderer Status hier drinnen verleiht mir nicht das Recht, den Tisch einen ganzen Sonntagnachmittag lang in Beschlag zu nehmen. Das ist überhaupt das Komischste, Jem. Ich merke, dass ich in dieser kleinen Welt aus irgendeinem Grund Respekt genieße - vielleicht weil ich als verrückt gelte und mangels besserer Vorbilder. Bitte schreib mir ab und zu.
    Im August kam Vetter James, der Apotheker, zu Besuch, bepackt mit einem neuen Filterstein, Lappen, Kleidern, Medikamenten und Büchern.

    »Aber benutze den alten Filterstein ruhig weiter, Richard, er sieht noch nicht verbraucht aus. Je mehr Steine du in Reserve hast, desto besser. Ich habe dir einen stabilen Sack für die Ersatzsteine mitgebracht. Das Wasser in Gloucester ist viel sauberer als alles, was in Bristol aus der Leitung kommt.« Vetter James war sichtlich unbehaglich zu Mute. Er erzählte alles Mögliche, nur um etwas zu sagen, und wich Richards Blick aus.
    »Aber deshalb hättest du doch bei dieser Hitze nicht eigens herkommen müssen, Vetter James«, sagte Richard freundlich. »Lass mich bitte die schlechte Nachricht wissen.«
    »Wir haben endlich von Mr Hyde aus der Chancery Lane gehört. Am Neunten des letzten Monats konnte Sir James Eyre sich endlich mit deinem Gnadengesuch befassen. Dieses Datum trägt zumindest sein Schreiben an Lord Sydney. Sir James Eyre sprach sich entschieden dagegen aus, dir Gnade zu gewähren. Für ihn besteht kein Zweifel, dass du zusammen mit dieser Frau geplant hast, Ceely Trevillian auszurauben, auch wenn die Frau seitdem verschwunden ist.«
    »Die Belastungszeugin war nicht da«, sagte Richard

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