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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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kannte, hätte ich mich gegen einen wie Sykes gewehrt - aber wofür? Dann hätte ich jetzt obendrein noch Kopfweh und wäre womöglich ausgepeitscht worden.«
    »Nicht ausgepeitscht, Will, verprügelt. Mr Campbell ist gegen die neunschwänzige Katze. Er sagt, sie hält zu viele Männer von der Arbeit ab.« William Stanley aus Seend hatte die Augen halb geschlossen. »Dann muss ich also mit dir verhandeln, Richard - wie war der Nachname?«
    »Morgan.«
    »Waliser.«
    »In Bristol geboren und aufgewachsen. Meine Familie lebt schon seit Generationen dort. Connelly hat einen irischen Namen, stammt aber ebenfalls aus Bristol. Nachnamen bedeuten nicht viel.«
    »Warum ist hier eigentlich alles rot gestrichen?«, fragte plötzlich Ike Rogers, der sich bisher hauptsächlich umgesehen hatte.
    »Wir sind im Orlopdeck des Schiffes«, sagte Mikey Dennison, der Schmuggler aus Poole. »Hier waren die 32-Pfünder untergebracht und außerdem der Operationssaal. Auf Rot sieht man das Blut nicht. Kanoniere können kein Blut sehen.«
    William Stanley aus Seend zog eine enorme Taschenuhr aus der Westentasche und warf einen Blick darauf. »In einer Stunde gibt’s Essen«, sagte er. »Von Harry, dem Proviantmeister, bekommt ihr Brettchen und Becher. Heute ist Freitag, also gibt es Haferbrei. Kein Fleisch außer dem, was im Brot und im Käse ist. Hört ihr den Lärm droben?« Er klopfte mit seiner Pfeife gegen die Decke. »In London essen sie schon. Wir kriegen die Reste. Die sind mehr als wir.«
    »Was wäre, wenn Mr Hanks beschließen würde, einige Londoner hier unterzubringen?«, fragte Richard neugierig.
    Der kleine William Stanley kicherte. »Das würde er nicht wagen!
Entweder die Iren würden ihnen nachts die Kehlen durchschneiden oder die aus dem Norden. Wer mag denn London und die Londoner? Erst besteuert man England, bis das Land ausgetrockneter ist als ein Ire bei einem Methodistentreffen. Dann wird das Geld in London und Portsmouth verprasst, in London von Parlament, Armee und Ostindischer Kompanie, in Portsmouth von der Marine.«
    »Haferbrei«, sagte Richard und stand lächelnd auf. »Wenn ich mich recht an die Worte des guten Mr Sykes erinnere, bedeutet das, dass wir Themse-Wasser trinken. Liebe Freunde des Filtersteins, ich schlage vor, eine kleine Zeremonie abzuhalten. Du hast mich Anführer genannt, Will, also folge jetzt meinem Beispiel.« Er stellte seine Kiste auf den Tisch und schloss sie mit dem Schlüssel auf, den er stets um den Hals trug. Dann zog er einen großen Lumpen heraus, drapierte ihn sich auf dem kurz geschorenen Schädel und begann eine Melodie zu summen. Händel hätte die Melodie erkannt; auf dem Orlopdeck der Ceres kannte sie niemand. Bill Whiting vergaß seine Schmerzen und legte sich ebenfalls einen Lumpen auf den Kopf. Will, Neddy, Taffy und Jimmy taten dasselbe. Das Summen überließen sie allerdings Richard. Richards Filterstein tauchte aus der Kiste auf, das Summen wurde zu einem langen, an- und abschwellenden »Aaaaah«. Richard ließ die Hände über den Stein gleiten und verbeugte sich vor ihm, bis er ihn mit der Stirn berührte. Dann hob er ihn auf und schritt zur Pumpe, gefolgt von seinen fünf Begleitern, die ebenfalls ihre Filtersteine in den Händen hielten. Taffy hatte die Melodie aufgegriffen und begleitete Richards Bariton mit einem hohen Tenor. Die anderen Gefangenen folgten ihnen gebannt. Nur die Kranken schenkten dem Spektakel keine Beachtung. William Stanley traten schier die Augen aus dem Kopf.
    Zum Glück kam das Wasser tröpfelnd und nicht in einem Schwall aus der Pumpe. Es fiel in einen Kupferkessel, in den man ein paar Löcher gestanzt hatte. Mr Campbells Filtriersystem konnte hin und wieder einen größeren Klumpen oder kleinen Fisch aus dem Wasser filtern, zu mehr taugte es nicht. Von dort tropfte das Wasser in die Springluken und lief in die Bilge ab.

    Mit einer feierlichen Geste bedeutete Richard Jimmy Price, den Pumpenschwengel zu betätigen, und hielt seinen Tropfstein darunter. Die anderen taten es ihm nach. Bill Whiting verneigte sich tief vor Jimmy, bevor er ebenfalls seinen Tropfstein füllte, während Richards schöne Stimme zu mehreren lauten Hallelujas anschwoll. Dann kehrten sie zum Tisch zurück und setzten ihre sechs Steine mit vielen Gesten genau in der Mitte ab. Richard wies seine Gefolgsleute an, zwei Schritte hinter ihn zu treten, dann breitete er die Hände aus und bewegte die Finger.
    »König der Könige! Herr und Gebieter! Halleluja! Halleluja!«,

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