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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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sang er. »Hosianna! Oh Hippokrates, erhöre unser Flehen!« Nach einer letzten ehrfürchtigen Verbeugung nahm er den Lumpen vom Kopf, küsste ihn, faltete ihn zusammen und setzte sich. »Hippokrates!«, brüllte er so plötzlich, dass alle zusammenzuckten.
    »Herrgott! Was hat das zu bedeuten?«, rief Stanley.
    »Das Ritual der Reinigung«, antwortete Richard feierlich.
    Der drahtige kleine Mann musterte ihn plötzlich misstrauisch. »Ist das vielleicht ein Scherz? Wollt ihr mich verkohlen?«
    »Glaube mir, William Stanley aus Seend, was wir hier tun, ist kein Scherz. Wir besänftigen Vater Themse, indem wir den großen Gott Hippokrates anrufen.«
    »Macht ihr das jedes Mal, wenn ihr Wasser trinkt?«
    »Aber nein!«, rief Bill Whiting, der begriffen hatte, worauf Richard mit seinem seltsamen Verhalten hinauswollte. Richard tat so, als hätten sie besondere Fähigkeiten, als seien sie etwas Besonderes. Dadurch wollte er sie und ihre Siebensachen schützen. Er hatte einfach Jimmys und Lizzies Bemerkungen aufgegriffen, er mache aus dem Filtern eine Religion. Sykes würde davon erfahren, denn William Stanley aus Seend war eine Klatschbase und blieb den ganzen Tag auf der Ceres . »Nein«, wiederholte er ernst, »wir halten das Reinigungsritual nur bei besonderen Gelegenheiten ab, etwa wenn wir umziehen. So - so mobilisieren wir Hippokrates.«
    »Wir benützen die Steine jedes Mal, wenn wir Wasser trinken, aber nicht mit der ganzen Zeremonie«, fügte Will Connelly hinzu. »Das tun wir nur am Ersten des Monats - und natürlich wenn wir umziehen.«

    »Ist das Hexerei?«, fragte Mikey Dennison argwöhnisch.
    »Hast du vielleicht Schwefel gerochen?«, fragte Richard heftig. »Hat sich das Wasser in Blut oder Ruß verwandelt? Hexerei ist doch Schwindel. Wir sind ernsthafte Leute.«
    »Richtig!«, rief Stanley und seine Miene hellte sich auf. »Habe ich ganz vergessen! Die meisten von euch kommen ja aus Bristol und dort war man schon immer besonders aufgeklärt.«
    »Ike«, sagte Richard und stand auf, »auf ein Wort.« Sie traten ein paar Schritte zur Seite; aller Augen folgten ihnen. »Bestätige unsere Geschichte und wenn wir sie das nächste Mal zum Besten geben, singe den Refrain mit. Wenn du uns hilfst, werden wir unsere Sachen behalten - und unser Geld. Wo hast du deins versteckt?«
    Rogers grinste. »In den Absätzen meiner Reitstiefel. Von außen sehen sie niedrig aus, aber drinnen - ich stehe wie auf Stelzen. Und du?«
    »Die Kisten haben innen an einer Seite ein Geheimfach. Wer von uns Münzen besitzt, kann sie dort aufbewahren. Sie können nicht klimpern, weil das Fach mit Baumwolle ausgestopft ist. Will, Neddy und Bill haben einige Münzen, ich habe eine ganze Menge. Die anderen Kisten sind leer, das heißt wenn einer von uns Geld beschaffen kann, ist genug Platz dafür da. Dieser William Stanley aus Seend ist käuflich, die Frage ist nur, ob er Sykes alles verrät.«
    Der Straßenräuber überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Ich glaube nicht, Richard. Wenn er singt, bekommt Sykes alles in die Finger. Wir müssen den Jockey überzeugen, dass wir nur wenig haben. Herrgott, ich wünschte, wir hätten einen regelmäßigen Besucher aus London! Hätten wir einen, könnten wir unseren Reichtum damit erklären. Du hast übrigens Recht mit dem Wasser - es ist faulig. Meine Gefährten und ich werden an Haferbreitagen Dünnbier trinken müssen. Ich wette, dieser William Stanley aus Seend kann es uns besorgen.«
    Richard schlug sich mit der Hand an den Kopf. »Jem Thistlethwaite!«, rief er. »Ich glaube, das mit dem Besucher kann ich deichseln, Ike. Glaubst du, dass ich über Stanley einen Brief schicken kann?«
    »Gegen entsprechendes Entgelt sicher.«

    Als Richard und seine Gruppe am nächsten Morgen an Deck geführt wurden, begriffen sie, warum die Verlegung aus dem Orlopdeck in Etappen erfolgte. Der Ceres standen zwar einige Leichter zur Verfügung, doch reichten diese nicht annähernd aus, um alle Männer gleichzeitig an ihre Arbeitsplätze zu transportieren. Wenigstens war kein Arbeitsplatz weiter als fünfhundert Meter von der Ceres entfernt, doch musste die Strecke über Wasser zurückgelegt werden. Die Ruderer legten sich eifrig ins Zeug, weil diese Arbeit erheblich besser war als andere Arbeiten. Als Sträflinge der Censor wurden sie an die Unterseite der Dollborde gekettet. Richard hätte gern gewusst, warum sie nicht einfach ans Ufer ruderten und flohen. Später erfuhr er, dass das früher vorgekommen

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