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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ausziehen!«, bellte Mr Hanks.
    Mäntel und Röcke wurden abgelegt. Mr Sykes befühlte sie eingehend. »Nichts«, sagte er schließlich und grinste.

    »Filzen, Mr Sykes.«
    Offenbar war das der Befehl zu einer Leibesvisitation. Mr Sykes begann auch tatsächlich ihre Körper abzutasten. Mit sichtlichem Vergnügen fummelte er an ihren Genitalien herum. »Fehlanzeige«, sagte er nach einer Weile und sah Mr Hanks erwartungsvoll an.
    »Hosen runter und vornüber beugen«, befahl Mr Hanks resigniert.
    »Aber ich warne euch! Wenn Mr Sykes Silberdollars in euren Ärschen findet, wascht ihr sie in eurem eigenen Blut.«
    Mr Sykes ging brutal vor und ließ sich viel Zeit. Die vier jungen Männer und Joey Long weinten vor Schmerzen und Scham, die anderen ertrugen die Prozedur wortlos. »Nichts, verdammt noch mal«, sagte Mr Sykes. »Fehlanzeige, Mr’Anks.«
    »Wir sind aus Gloucestershire«, sagte Richard, während er seine Unterhosen und Breeches hochzog. »Das ist eine arme Gegend.« Und ich habe euch zwei durchschaut, dachte er. Demütigung und Geld. Möge Gott euch verfaulen lassen.
    »Runterbringen, Mr Sykes«, schnarrte der Aufseher enttäuscht und verschwand in dem Gewirr von Hütten.
     
    An jenem 28. Januar 1786 beherbergte die Ceres 213 Sträflinge. Die zwölf Männer aus Gloucester wurden als die Nummern 202 bis 213 aufgenommen, Richard war die Nummer 203. Doch nur Mr Herbert Hanks aus der Plumstead Road in Woolwich redete sie mit den Nummern an.
    Die Gefangenen aus London waren von denen aus dem Hinterland getrennt und auf einem anderen Deck untergebracht, eine weise Entscheidung, die vermutlich die Sträflinge aus London besänftigen sollte, die den Umgang mit Provinzlern hassten. Die Insassen des London Newgate bewohnten das Unterdeck, die Provinzler das Orlopdeck. Vielleicht war die Entscheidung aber auch eine Folge des ständigen Kriegs, der zwischen den Londoner Sträflingen und den Nicht-Londonern auf der Censor und der Justitia tobte. Alle waren irgendwie in diesen Konflikt verwickelt, und nicht einmal Mr Duncan Campbell konnte das Durcheinander entwirren. Auf der Dunkirk in Plymouth sollte er noch weitergehen
als auf der Ceres : Er teilte das Schiff nach einem selbst ausgedachten System in sieben Sträflingsabteilungen auf.
     
    Das Zwischendeck, in das die Gefangenen gebracht wurden, war sechs Fuß hoch, was bedeutete, dass zwischen Richards Kopf und der Decke aus faulenden Planken nur ein halber Zoll Platz blieb und Ike Rogers gar nicht aufrecht stehen konnte. Die Querbalken, auf denen die Planken auflagen, waren noch einen Fuß niedriger und jeweils im Abstand von sechs Fuß angebracht. Das Gehen wurde dadurch zur Parodie auf eine Mönchsprozession: Alle zwei Schritte mussten die Köpfe ehrfürchtig gesenkt werden.
    Der Wind pfiff durch die Eisengitter und den kalten, grellrot gestrichenen Raum, der sich vom Vorschott bis zum Achterschott erstreckte. Alles in allem war der Raum etwa vierzig Fuß breit und hundert Fuß lang. Entlang der Außenwände standen eine Art breite Tische, an denen auf Bänken Männer saßen. Merkwürdigerweise schienen die Tische gleichzeitig als Betten zu dienen. Auf einigen von ihnen lagen Männer, die sich offenbar ausruhten oder an Fieber erkrankt waren. Auch die Breite der Tischplatten von sechs Fuß deutete daraufhin, dass es sich um Betten handelte. Ein weiterer solcher Tisch von sechs Fuß Breite stand in der Mitte. Ungefähr achtzig Männer bewohnten die rote Kammer. Beim Eintreten der zwölf neuen Insassen verstummten die Gespräche und die Männer hoben die Köpfe.
    »Von woher?«, fragte ein Mann, der am Mitteltisch in der Nähe des Eingangs saß.
    »Gloucester«, antwortete Will Connelly. »Alle zwölf.«
    Der Mann stand auf. Er war so kleinwüchsig, dass er unter den Balken durchgehen konnte, ohne anzustoßen. Von der Statur her erinnerte er an einen Jockey. Er hatte das Gesicht eines Mannes, der einen Großteil seines Lebens mit Pferden verbracht hat. Die Haut war zerknittert und ledern, seine Gesichtszüge ähnelten vage einem Pferd. Der Mann mochte zwischen vierzig und sechzig Jahre alt sein.
    »Wie geht’s?« Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage. Er trat auf die Neuankömmlinge zu und streckte ihnen eine kleine
Hand entgegen. »William Stanley aus Seend in der Nähe von Devizes in Somerset. Verurteilt wurde ich allerdings in Wiltshire.«
    »Die meisten von uns kennen Seend«, sagte Connelly grinsend. Er stellte die anderen vor, dann setzte er

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