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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ist dieser Gouverneur Phillip?«, fragte Richard.

    Mr Thistlethwaite brach in schallendes Gelächter aus. »Bisher kennt ihn niemand, Richard. Lordadmiral Howe äußerte sich sehr abschätzig über ihn, aber wahrscheinlich nur deshalb, weil er selbst einen jungen Neffen für dieses Amt mit einem Jahresgehalt von tausend Pfund vorgesehen hatte. Mein Informant ist ein langjähriger Freund, Sir George Rose, Schatzmeister der Königlichen Marine. Er berichtete mir, Lord Sydney habe diesen Phillip nach einem ausführlichen Gespräch mit Mr Pitt persönlich ausgewählt. Für Mr Pitt ist es sehr wichtig, dass das Experiment gelingt, sonst wird die Gefängnisfrage noch zur Fußangel für sein Kabinett - das Problem der vielen Sträflinge, für die nirgends Platz ist und deren Zahl außerdem ständig steigt, drängt immer mehr. Schwierig ist nur, dass die Deportation in den Köpfen der eifernden Moralapostel mit der Sklaverei verknüpft ist. Wenn sie also das eine kritisieren, ist das andere darin oft eingeschlossen.«
    »Es gibt Ähnlichkeiten«, bemerkte Richard trocken. »Erzähl mir mehr von diesem Phillip, der über unser Schicksal entscheiden wird.« Mr Thistlethwaite leckte sich die Lippen und dachte sehnsüchtig an ein Gläschen Kognak. »Ein Niemand, wie schon gesagt. Sein Vater, ein gebürtiger Deutscher, unterrichtete in London Sprachen. Seine Mutter war die Witwe eines Kapitäns und eine entfernte Verwandte von Lord Pembroke. Der Junge besuchte eine Knabenschule der Marine ähnlich der Schule Colstons. Die Familie war also arm. Nach dem Siebenjährigen Krieg wurde der junge Mann auf halben Lohn gesetzt und diente mit Auszeichnung einige Jahre in der portugiesischen Marine. Sein wichtigstes Kommando war ein Schiff 4. Ranges der Königlichen Marine, mit dem er allerdings nicht an Kämpfen teilnahm. Er wurde noch einmal verabschiedet und übernahm jetzt das Gouverneursamt. Er ist weder jung noch besonders alt.«
    Will Connelly runzelte die Stirn. »Für mich klingt das merkwürdig, Jem.« Er seufzte. »Das hört sich doch danach an, als sei ganz egal, was mit uns in der Botany Bay passiert. Sonst wäre der Gouverneur - na ja - ein Lord oder wenigstens ein Admiral.«
    »Nenn mir den Namen eines einzigen Lords oder Admirals, der bereit wäre, für jämmerliche tausend Pfund im Jahr ans andere
Ende der Welt zu gehen, Will, und ich biete dir die englische Krone an.« Mr James Thistlethwaite grinste spöttisch, der Satiriker regte sich in ihm. »So jemand macht höchstens eine Erholungsreise zu den Westindischen Inseln. Was ist die Botany Bay denn? Höchstwahrscheinlich eine Todesfalle. Niemand weiß genau, was einen dort erwartet, auch wenn alle von einem Paradies sprechen, weil das nichts kostet. Nur ein Niemand lässt sich als Gouverneur dort hinschicken.«
    »Du hast immer noch nicht gesagt, warum ausgerechnet dieser Niemand«, sagte Ike.
    »Sir George Rose schlug ihn ursprünglich vor, weil Phillip ein, wie er sagte, tüchtiger und einfühlsamer Mensch sei. Phillip ist auch insofern eine seltene Erscheinung in der Königlichen Marine, als er fließend mehrere Sprachen spricht. Da sein deutscher Vater Sprachlehrer war, hat Phillip das Talent für Fremdsprachen wohl schon mit der Muttermilch eingesaugt. Er spricht französisch, deutsch, holländisch, spanisch und portugiesisch.«
    »Was nützen uns diese Sprachen in der Botany Bay?«, fragte Neddy Perrott. »Die Indianer sprechen sie nicht.«
    »Gar nichts, aber auf der Fahrt dorthin sind sie sehr hilfreich«, antwortete Mr Thistlethwaite, tapfer bemüht, nicht die Geduld zu verlieren. Wie hielt Richard das bloß aus? »Unterwegs sollen verschiedene Häfen angelaufen werden, und keiner davon ist englisch. Teneriffa ist spanisch, Kap Verde portugiesisch, Rio de Janeiro ebenfalls und das Kap der Guten Hoffnung holländisch. Das ist eine heikle Sache, Neddy. Stell dir doch vor, was da passiert. Eine Flotte von zehn bewaffneten englischen Schiffen läuft ohne Ankündigung in einen Hafen ein und ankert. Der Hafen gehört zu einem Land, gegen das wir Krieg geführt oder in dessen Sklavengebieten wir gewildert haben. Mr Pitt hält es deshalb für unabdingbar, dass die Flotte freundschaftliche Beziehungen zu den Gouverneuren der jeweiligen Häfen herstellen kann. Und englisch spricht man dort nicht.«
    »Warum nehmen wir keine Dolmetscher mit?«, fragte Richard.
    »Um mit den Portugiesen und Spaniern über einen Mittelsmann niedrigen Ranges zu verkehren? Mit den am stärksten

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