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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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er ist nicht erfreut. Finden Sie ihn!«
    Sie fanden ihn, freilich erst am Sonntagmorgen kurz nach Tagesanbruch, als die Flotte bereits Anstalten zum Auslaufen machte. Nachforschungen an Bord des holländischen Ostindienfahrers hatten ergeben, dass Power allein in der Jolle der Alexander hinübergepullt war und seine Dienste als Seemann angeboten hatte. Da er dieselbe Kluft trug wie viele Sträflinge, die der holländische Kapitän auf englischen Schiffen gesehen hatte, wurde er höflich abgewiesen und aufgefordert, sich zu entfernen, was er dann auch tat, allerdings nicht ohne vorher von einem Matrosen, der beim Anblick seiner kummervollen Miene Mitleid bekam, mit einem großen Becher Gin getröstet worden zu sein.

    Es war die Jolle, die die Suchtrupps der Alexander als Erstes fanden. Sie war in einer einsamen Bucht mit der Fangleine an einen Felsen gebunden. Power, von Kummer und holländischem Gin übermannt, schnarchte hinter einem Steinhaufen und ergab sich widerstandslos. Sinclair und Long wollten ihn mit zweihundert Peitschenhieben bestrafen, doch der Gouverneur übermittelte den Befehl, ihn in Ketten zu legen und für vierundzwanzig Stunden ans Deck zu heften. Wie lange er die Eisen tragen sollte, stand noch nicht fest und lag im Ermessen des Gouverneurs.
    Die Alexander stach in See. Chips, der Schiffszimmermann, heftete John Power mit dem Gesicht nach unten an Deck, indem er seine Handfesseln und Fußeisen an die Planken schraubte. Laut Befehl durfte niemand sich ihm nähern, bei Zuwiderhandlung drohte die Peitsche. Doch kaum senkte sich die Nacht über das Schiff, schlich Mr Bones zu ihm und gab ihm Wasser, das er aufleckte wie ein Hund.
    Das Wetter war schön, die Sonne schien, und es wehte eine sanfte Brise, als die Flotte am Morgen aus dem Hafen der wolkenverhangenen Insel auslief. Diesmal blieb Teneriffa volle drei Tage in Sicht und der 3700 Meter in den Himmel ragende und von einem grauen Wolkenband umgebene Pico de Teide, auf dessen Gipfel Schnee glitzerte, bot einen unvergesslichen Anblick.
     
    Am 15. Juni überquerten sie den Wendekreis des Krebses, ein Ereignis, das feierlich begangen wurde. Jeder Mann an Bord, der noch nie südlich dieser Linie geweilt hatte, musste keinem geringeren als Neptun persönlich vorgeführt werden. Das Deck war mit Muscheln, Netzen und Seetang geschmückt, und mitten drin stand eine große, mit Meerwasser gefüllte Kupferwanne. Zwei Seeleute bliesen auf Conchmuscheln, und im nächsten Moment wurde eine Furcht einflößende Gestalt aus der Back getragen, die auf einem Fass thronte und sich erst beim zweiten Hinsehen als Stephen Donovan entpuppte. Donovan trug eine Krone, die aus einem gezackten Messingring und Seetang bestand, und einen Bart aus Seegras. Sein Gesicht, seine nackte Brust und seine Arme waren blau angemalt, und von der Hüfte abwärts steckte er in dem Schwanz
eines Schwertfisches, den man tags zuvor gefangen und ausgehöhlt hatte. In der einen Hand hielt er einen Dreizack, der nichts anderes war als die Harpune der Alexander - ein dreizackiges, mit Widerhaken versehenes Gerät, mit dem die Matrosen große Fische aufspießten. Zwei blau angemalte, mit Seetang behängte Matrosen führten jeden Mann nach vorn, fragten ihn, ob er die Linie schon einmal überquert habe, und wenn er verneinte, tauchten sie ihn in die Kupferwanne. Danach bespritzte Neptun ihn mit blauer Farbe und entließ ihn. Am lautesten johlten die Zuschauer bei der Taufe der Leutnants Johnstone und Shairp, obgleich die beiden in Kenntnis der Zeremonie vorsorglich alte Hosen angezogen hatten.
    Es gab Rum für alle, auch für die Sträflinge. Hornpipes wurden hervorgeholt, und die Matrosen begannen, auf ihre eigentümliche Weise zu tanzen. Sie hüpften mit verschränkten Armen auf und ab, drehten sich im Kreis und wippten von einem Fuß auf den anderen. Danach sangen sie einige Shantys und forderten schließlich auch die Sträflinge auf, ein oder zwei Lieder zum Besten zu geben. Richard und Taffy trugen eine Weise von Thomas Tallis vor, stimmten als nächstes »Greensleeves« an und brachten die Übrigen dazu, mit ihnen Wirtshauslieder zu schmettern. Jeder erhielt eine randvolle Schüssel mit Mr Kellys Schwertfischsuppe, die selbst dem Schiffszwieback ein wenig Geschmack verlieh, wenn man ihn hineintunkte. Bei Einbruch der Dunkelheit wurden Laternen angezündet, dann sang man weiter, bis Captain Sinclair gegen zehn durch Trimmings, seinen Steward, ausrichten ließ, dass alle Seeleute bis auf

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