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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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spannen, dass nur an einer Stelle ein Trichter entsteht. Ich glaube, wir haben den Passat verloren, und Esmeralda glaubt das offensichtlich auch.«
    »Warum sind Sie eigentlich nur vierter Maat, Mr Donovan? Wenn ich an Deck herumgehe, habe ich den Eindruck, dass Sie fast genauso viel Verantwortung tragen wie Mr Long, und mit Sicherheit mehr als Mr Shortland oder Mr Bones.«
    Die Winkel der blauen Augen legten sich in Falten, und ein Lächeln
umspielte den Mund, doch auf Richard wirkte es ein wenig bitter. »Tja, Richard, ich bin aus Ulster und deshalb so etwas wie ein Ire, und obwohl ich in Westindien unter Admiral Rodney gedient habe, gehöre ich der Handelsmarine an. Esmeralda hat mich als zweiten Maat angeheuert, doch der Marineagent wollte ein Pöstchen für seinen Sohn. Esmeralda war sehr ungehalten, als er erfuhr, dass Mr Shortland als zweiter Maat an Bord kommen sollte - er und der Vater, Leutnant Shortland, sind einander spinnefeind. Am Ende zog Leutnant Shortland es vor, auf die Fishburn zu wechseln. Sein Sohn freilich blieb. Und da Mr Bones den Posten des dritten Maats partout nicht räumen wollte, wurde ich eben vierter. Somit haben wir jetzt einen für jede Wache, wenn Sie so wollen.«
    Richard runzelte die Stirn. »Ich dachte, der Kapitän sei der Herr über sein Schiff und habe das letzte Wort.«
    »Nicht wenn er mit der Königlichen Marine zusammenarbeitet. Die Firma Walton hofft auf weitere Aufträge, deshalb kommandiert Captain Francis Walton, einer aus der Familie, die Friendship . Esmeralda Sinclair ist Teilhaber von Walton & Company. Bei genauerer Betrachtung werden Sie feststellen, dass fast alle Kapitäne von Truppentransportern und Versorgungsschiffen Teilhaber ihrer Reedereien sind.« Donovan zuckte die Schultern. »Wenn das Experiment in der Botany Bay klappt, wird der Sträflingstransport ein einträgliches Geschäft.«
    »Schön zu wissen«, grinste Richard, »dass wir armen Teufel einigen Leuten zu Wohlstand verhelfen.«
    »Speziell Leuten wie William Richards junior. Er ist der Vertragspartner der Marine - und der Mann, dem Sie den Fraß verdanken, den Sie bekommen. Soll ihn der liebe Gott in der Hölle braten lassen. Und bitte, lieber Gott, schicke uns ein oder zwei Fische!«
    Die Schnur in Richards Hand zuckte, ebenso die von Donovan, und von achtern ertönte der Freudenschrei eines Matrosen. Sie waren unversehens in einen Tunfischschwarm geraten und wuchteten die großen Fische in einem solchen Tempo an Bord, dass die Umstehenden aufgefordert wurden, Köder auf die Haken zu spießen,
damit sie die Leinen wieder auswerfen konnten, ehe der Schwarm verschwand. Am Ende dieses kurzen Ausbruchs erfrischender Betriebsamkeit zappelten und zuckten über fünfzig große Tunfische auf den Planken, und die Matrosen und Seesoldaten wetzten ihre Messer und machten sich daran, sie zu schuppen, auszunehmen und zu zerlegen. Eine Arbeit, die den Sträflingen wegen der Messer untersagt war.
    »Heute Abend gibt es jede Menge Fischsuppe«, sagte Richard zufrieden. »Im Übrigen bin ich froh, dass wir nicht mehr mittags essen. Mit vollem Magen schläft es sich besser. Ich weiß, unsere Leutnants beklagen, dass diese herrlichen Geschöpfe durstig machen, aber das Fleisch ist frisch!«
    Das Meer war ein unterhaltsamer Gesellschafter, denn irgendetwas passierte immer. Richard hatte sich an den Anblick der großen Tümmler und der etwas kleineren Delfine zwar schon gewöhnt, die fischten, spielten und weit aus dem Wasser sprangen, doch seine Begeisterung war ungebrochen. Seinen ersten Hai und den ersten Wal sah er an einem Tag, als nahezu völlige Windstille herrschte und die langen Wellen der Dünung zu sanft waren, um sich zu brechen und Schaumkronen zu bilden. Richard sehnte sich danach, in dem kristallklaren Wasser zu schwimmen, und fragte sich, ob Mr Donovan oder einer der anderen Seeleute es ihm irgendwann auf der langen Fahrt beibringen würde. Er wunderte sich, warum sie nie ins Wasser gingen, nicht einmal an Tagen wie diesem, an denen man ohne Mühe wieder an Bord klettern konnte.
    Dann kam er, der gefürchtete Hai. Doch Richard verstand nicht, warum sein bloßer Anblick ihm das Blut in den Adern gefrieren lassen sollte, denn der Hai war schön. Zuerst sah Richard die Rückenflosse, die wie ein Messer durchs Wasser schnitt. Der Hai steuerte auf die blutigen Tunfischabfälle zu, die neben dem Schiff und im Kielwasser trieben. Wie ein dunkler Schatten glitt er vorüber und schien für immer verschwunden.

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