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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Er war gut fünfundzwanzig Fuß lang und in der Mitte so rund wie ein Fass, verjüngte sich vorn aber zu einem spitzen Maul und endete hinten in einem langen, spitz zulaufenden Schwanz mit einer gegabelten Flosse als Ruder. Ein stumpfes schwarzes Auge saß tellergroß in dem massigen
Kopf. In dem Augenblick, in dem er das Fischgedärm erreichte, wälzte er sich auf die Seite und schöpfte es in seinen mit Furcht erregenden Zähnen bewehrten Rachen. Sein Bauch blitzte weiß auf, dann waren die Abfälle verschwunden. Er verschlang alles, was er finden konnte, dann schwamm er in Richtung der achteraus stehenden Schiffe, wo vielleicht weitere Leckerbissen auf ihn warteten.
    Mein Gott! Richard hatte von Walen gehört und von Haien. Er wusste, dass Haie groß waren, aber dass sie fast an die Größe von Walen heranreichten, hätte er nicht im Traum gedacht. Und das Auge des Tieres verriet, dass es keine Seele besaß.
    Der Wal tauchte etwa eine Kabellänge querab so plötzlich aus dem Meer auf, dass nur die Männer, die wie Richard an Steuerbord angelten, sahen, wie das Wasser förmlich explodierte und das mächtige Geschöpf die Oberfläche durchbrach. Ein schnabelförmiger Kopf, ein kleines intelligentes Auge, ein getüpfeltes Flossenpaar - gut zwölf Meter lang wölbte sich der prächtige, blau-graue Rücken aus dem Wasser. Dann fiel er zurück und verschwand in einer Wolke von Gischt. Einen Augenblick herrschte atemlose Spannung, dann stieg die herrliche Schwanzflosse in die Höhe, schwebte kurz in der Luft wie ein Banner und klatschte mit einem Donnerschlag mitten in den regenbogenfarbenen schillernden Schaum. Der Koloss des Meeres, großartiger als jedes Linienschiff.
    Andere Wale tauchten auf, versprühten Fontänen aus Luft und Wasser, schwammen majestätisch neben den Schiffen her oder vollführten an der Oberfläche ihren gravitätischen Tanz. Eine Zeit lang tollte ein Muttertier mit Kalb um die Alexander herum. Die Mutter war schrecklich vernarbt und bewachsen, das Kalb makellos. Richard wäre am liebsten auf die Knie gesunken, um Gott für diese Gnade zu danken, doch er konnte den Blick nicht von den Walen abwenden. Wohin sie wohl unterwegs waren?
     
    Nicht lange nach dem Abflauen des Windes setzten die ersten Böen ein und mussten ausgenutzt werden. Wolken zogen am Himmel auf und wuchsen unter bedrohlichem Grollen rasch zu dunkelblauen Gebirgen mit weißen Spitzen. Dann brach ein Sturm los.
Die See geriet in Aufruhr, Regen peitschte, Blitze zuckten, Donner rollte. Eine Stunde später war der Himmel wieder blau und das Schiff lag bewegungslos in der Dünung.
    Einige Sträflinge und Seesoldaten schliefen an Deck, doch Richard wunderte sich, dass es nicht mehr waren. Zumindest die Gefangenen waren es doch gewöhnt, auf harten Planken zu schlafen. Sobald es freilich Nacht wurde, was in diesen Breiten erstaunlich rasch geschah, entschieden sich die meisten für das stinkende Gefängnis. Eine Hängematte bot natürlich einen gewissen Komfort, wie stickig und schwül es unten auch sein mochte. Doch das Verhalten seiner Kameraden ließ nur einen Schluss zu: Offenbar fürchteten sie die Elemente.
    Richard nicht. Er suchte sich ein Plätzchen an Deck, wo er den Matrosen nicht im Wege war, und wenn ein Gewitter über sie hinwegzog, bewunderte er das hinreißende Spiel der Blitze, spürte, wie sein Herzschlag stockte, wenn Blitz und Donner unmittelbar aufeinander folgten, und wartete, bis er völlig durchnässt war. Der Regen war das Beste von allem. Richard nahm jedes Mal seine Seife mit und stopfte seine Kleider unter eins der Langboote. Er genoss das Prickeln des Seifenschaums auf der Haut, wohl wissend, dass der Regen lange genug anhalten würde, um ihn wieder abzuwaschen. Alles Waschbare trug er nach oben - Matten, Kleider, selbst die Decken, obwohl sie zusehends einliefen und die anderen lautstark dagegen protestierten.
    »Du schleppst alles, was nicht niet- und nagelfest ist, nach oben und wäschst es«, rief Bill Whiting empört. »Wie hältst du es da oben nur aus? Wenn das Schiff vom Blitz getroffen wird und untergeht, möchte ich lieber hier unten sein.«
    »Die Decken können nicht weiter einlaufen, Bill, deshalb verstehe ich nicht, warum du dich so aufregst. In einer Stunde ist alles wieder trocken. Du bist so mit Schnarchen beschäftigt, dass du nicht mal merkst, wenn ich die Sachen hole.«
    Dass Bill wieder munterer und frecher wurde, hatte sicher damit zu tun, dass sie in diesen Gewässern häufig Fisch zu

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