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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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essen bekamen, ein Aspekt, den Richard vor der Fahrt über den großen Teich nicht bedacht hatte. Das Brot war mittlerweile in einem beklagenswerten
Zustand. Es wimmelte von fetten Maden, sodass die meisten beim Essen die Augen schlossen. Es war auch weicher geworden, was offensichtlich dem Umstand zu verdanken war, dass die widerlichen Dinger sich munter vermehrten. Das Pökelfleisch blieb naturgemäß verschont, doch auch Erbsen und Hafermehl beherbergten Untermieter. Zu allem Überfluss ging in Richards Gruppe das Malzextrakt zur Neige.
    »Mr Donovan«, sagte er zu dem vierten Maat, der de facto zweiter Maat war, »könnten Sie mir einen Gefallen tun, wenn wir Rio de Janeiro anlaufen? Ich behellige Sie nur damit, weil ich Vertrauen zu Ihnen habe und sonst keinen Landgänger kenne, dem ich trauen kann.«
    Das stimmte. In den vielen gemeinsamen Angelstunden war zwischen ihnen eine Freundschaft gewachsen, die so eng war wie die zwischen Richard und seinen Gefährten oder sogar noch enger. Stephen Donovan war ein ernster und doch heiterer Mensch, empfindsam und von beißendem Humor, und er erriet mit untrüglichem Gespür Richards Gedanken. Er war ihm ein Bruder, mehr als William es je gewesen war, und irgendwie spielte es keine Rolle mehr, dass Donovan nicht nur brüderliche Gefühle für ihn empfand. Anfangs hatten die Mitgefangenen über Richards seltsame Freundschaft gewitzelt, und seine häufigen Übernachtungen auf dem Oberdeck hatten der Angelegenheit eine pikante Note verliehen. Doch Richard schenkte den Anzüglichkeiten keine Beachtung und stellte sich taub. Er wusste, dass es klüger war, sich nicht zu verteidigen. Nach einiger Zeit beruhigten sich alle wieder und akzeptierten die Beziehung als eine normale Freundschaft - Mr Donovan befriedigte seine körperlichen Gelüste anderswo.
    An dem Tag, an dem Richard sein Anliegen vortrug, angelten sie. Es war einer jener quälenden Tage, an denen die Fische nicht beißen wollten. Richard trug wie Donovan einen Strohhut. Er hatte ihn dem Zimmermannsgehilfen abgekauft, den es mehr nach Rum als nach Sonne dürstete.
    Donovan betrachtete ihn erfreut. »Es wäre mir eine Freude, Ihnen einen Gefallen zu erweisen.«
    »Wir haben nur sehr wenig Geld und brauchen einige Sachen
wie Seife, Malzextrakt, ein paar Hausmittel gegen verschiedene Wehwehchen und Insektenstiche, Teeröl, neue Lappen, ein paar Rasiermesser und zwei Scheren.«
    »Sparen Sie Ihr Geld für die Rückfahrt auf, Richard. Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen die Sachen ohne Bezahlung zu besorgen.«
    Richard schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht annehmen. Ich muss dafür bezahlen.«
    Donovan hob eine Augenbraue und grinste. »Glauben Sie etwa, ich habe es auf Ihren Körper abgesehen? Das tut weh.«
    »Aber nein! Ich kann nur keine Geschenke annehmen, weil ich selbst keine Geschenke machen kann!«
    Donovan lachte. »Sie können das Geschenk getrost annehmen. Ich will nur Ihr Los erleichtern. Wir sind doch Freunde, Richard. Ist Ihnen das entgangen?«
    Richard lächelte. »Nein, durchaus nicht. Danke, Mr Donovan, ich nehme das Geschenk an.«
    »Sie könnten mir ein noch größeres machen.«
    »Und wie?«
    »Nennen Sie mich Stephen.«
    »Das schickt sich nicht. Wenn ich ein freier Mann bin, wird es mir eine Freude sein, Sie Stephen zu nennen. Doch bis dahin steht es mir nicht zu.«
    Ein Hai schwamm vorbei, ein Hammerhai, keine zwölf Fuß lang. In diesen Gewässern eine Kaulquappe. Er wendete, starrte sie ausdruckslos an und schwamm davon.
    »Ein boshaftes Geschöpf«, sagte Richard. »Das Auge eines Wals verrät Gefühle, das eines Tümmlers auch. Bei diesem Biest habe ich das Gefühl, es kommt aus der tiefsten Hölle.«
    »Oha! Man merkt, dass Sie aus Bristol stammen! Haben Sie je gepredigt?«
    »Nein, aber wir haben Prediger in der Familie. Anglikaner. Der Vetter meines Vaters ist Pfarrer von St. James, und sein Vater hat in Crew’s Hole unter freiem Himmel vor Bergleuten gepredigt.«
    »Ein tapferer Mann. Hat er es überlebt?«
    »Ja. Vetter James wurde erst später geboren.«

    »Leiden Sie nie unter den Versuchungen des Fleisches, Richard?«
    »Früher ja. Ich kannte eine Frau, die jedem Mann das Tor zum Paradies öffnen konnte. Das war schrecklich. Ich kann leicht darauf verzichten.«
    Donovans Leine zuckte. »Ich habe einen!«, schrie er. »Da hat einer angebissen!«
    In der Tat. Der Hai war zurückgekehrt und hatte den Köder mitsamt Haken und Schwimmer geschluckt. Donovan riss sich den Hut vom

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