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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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und ächzte, was bei dem Getöse von Wind und Meer allerdings nur zu hören war, wenn er das Ohr an den Großmast legte. Wasserkaskaden stürzten von den Segeln herab, während Seeleute von Spiere zu Spiere krochen, Segel refften und andere bargen. Bug und Bugspriet tauchten ins Wasser und bäumten sich im nächsten Moment wieder auf, von Regen und riesigen Brechern gepeitscht, während eine zweite Welle gegen die Backbordseite, eine dritte gegen die Steuerbordseite und eine vierte gegen das Heck krachte. Richard band sich mit einem Tau fest. Die mächtigen Seen fegten mit einer solchen Wucht übers Deck, dass ihnen niemand ohne Sorgleine widerstehen konnte.
    Von der Scarborough oder der Friendship war nichts zu sehen. Erst als die Alexander auf den Kamm einer riesigen Woge getragen wurde und dort eine Sekunde lang baumelte, konnte er einen Blick auf die bedauernswerte Friendship erhaschen. Sie legte sich weit über, und die Seen schlugen über ihr zusammen. Dann sauste die Alexander in ein Wellental, und Wasser schoss einen halben Meter hoch übers Deck, und wieder ging es hinauf, höher und immer höher - es war herrlich! Die Alexander war, trotz allem, ein seetüchtiges altes Mädchen.
    Kurz nachdem er aus dem Gefängnis geklettert war, hatte man die Luken verschalkt, ohne dass er es bemerkt hatte. Er war zu fasziniert von der Urgewalt dieses Sturms, der gewiss zu den stärksten gehörte, die jemals getobt hatten. Als die Nacht hereinbrach, band er sich los, kroch erschöpft und blau vor Kälte unter ein Langboot und richtete sich im Heu ein warmes und leidlich trockenes Nest her. So verschlief er den schlimmsten Teil, und als er, immer noch frierend, am nächsten Morgen erwachte, war der Himmel blau und die See tobte nicht mehr ganz so ungestüm. Die Luken standen offen. Richard ließ sich auf den Tisch hinabgleiten.
    Die Freudenschreie, die ihn empfingen, erstaunten ihn. Er hatte sich eingebildet, die anderen seien seit Rio etwas selbstständiger geworden.
    »Richard!«, rief Joey Long und drückte ihn mit tränenüberströmten Wangen. »Wir dachten, du bist ertrunken!«
    »Ich doch nicht! Ich war so damit beschäftigt, den Sturm zu beobachten,
dass ich nicht gemerkt habe, wie sie die Luken verschlossen haben. Und dann war ich ausgesperrt. Joey, beruhige dich. Mir geht es gut, mir ist nur kalt.«
    Während er sich mit einem Lappen abtrocknete, erfuhr er von den anderen, dass John Bird, ein Gefangener vom Bugschott, in den Laderaum eingebrochen war und Brot verteilt hatte.
    »Wir haben alle davon gegessen«, sagte Jimmy Price, »weil uns niemand etwas gebracht hat.«
    Was Zachariah Clark allerdings nicht davon abhielt, die Auspeitschung John Birds zu verlangen. Schließlich habe der Mann seine Firma bestohlen.
    Leutnant Furser ermittelte, wie viel Brot abhanden gekommen war, und erklärte, dass in etwa genauso viel fehle, wie unter normalen Umständen ausgeteilt worden wäre. Daher, so sagte er, werde keine Strafe verhängt und jeder Sträfling solle heute zu seinem Hartbrot eine doppelte Portion Pökelfleisch erhalten.
    Captain Sinclair hatte in Zachariah Clark trotz ihrer Meinungsverschiedenheit in Kapstadt eine verwandte Seele gefunden, die ebenso habgierig war wie er. Kaum hatte Clark im Achterdeck der Alexander Quartier bezogen, begann Sinclair, den Firmenagenten zu seinen üppigen Mahlzeiten einzuladen - als Gegenleistung dafür, dass Clark in Sachen Rum beide Augen zudrückte. Da Sophia Clarks Kabine als Kinderstube in Beschlag genommen hatte, überließ ihm Esmeralda seine Tageskabine, die er ohnehin nicht benötigte. So kam es, dass Sinclair, als er von Fursers Entscheidung hörte, dem Seesoldaten durch Clark ausrichten ließ, John Bird müsse wegen unerlaubter Aneignung fremden Eigentums ausgepeitscht werden.
    »Es fehlt nichts, was nicht ohnehin fehlen würde«, entgegnete Furser frostig, »also ziehen Sie Leine, Sie Arschgesicht!«
    »Ich werde Captain Sinclair von Ihrer Unverschämtheit berichten!«, stieß Clark hervor.
    »Von mir aus können Sie ihm berichten, bis Sie schwarz werden, Sie Arschgesicht, das ändert nicht das Geringste. Hier bestimme ich, was mit den Gefangenen geschieht, und nicht die fette Esmeralda.«

    Die Matrosen der Alexander erzählten jedem, der es hören wollte, dass sie noch nie einen so schlimmen Sturm erlebt hätten. Vor allem die schrecklichen Seen, die gleichzeitig aus allen Richtungen kamen - das ließ nichts Gutes ahnen, ganz und gar nicht! Die Scarborough

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