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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Omen sehen, ein unheilvolles Vorzeichen. Ich selbst weiß auch nicht, was es ist, doch ich bin davon überzeugt, dass es etwas ebenso Natürliches ist wie die fleischlichen Gelüste.« Donovan kräuselte viel sagend die Augenbrauen und schmunzelte über Richards Verlegenheit. Er wusste nur zu gut, dass Richard es nicht mochte, wenn man ihn prüde nannte, zumal er sich eingestehen musste, dass er es im Grunde tatsächlich war. »Vielleicht hat ein starkes Seebeben rote Erde vom Meeresgrund aufgewirbelt, vielleicht sind auch kleine Meerestiere der Grund.«
    Sie gerieten in weitere schwere Stürme. Dann, am Tag der Sommersonnenwende, setzte heftiger Regen ein, der bald in Schnee überging und in einem Bombardement mit hühnereigroßen Hagelkörnern endete, das den Schafen nichts anhaben konnte, bei Menschen und Schweinen aber schmerzhafte blaue Flecken hinterließ. Sommerfreuden am 41° südlicher Breite!
     
    Am Heiligabend erreichten die drei Schiffe den 42° südlicher Breite. Sie legten bei stürmischem Wetter 160 Meilen zurück. Es wurde nicht mehr dunkel, und der größte Wal, den sie bisher gesichtet hatten, begleitete sie. Er war blau-grau und gut hundert Fuß lang. Er hätte aus der kleinen Friendship leicht Kleinholz machen können, doch zum Glück wollte er den Schiffen anscheinend nur frohe Weihnachten wünschen.
    Im Gefängnis herrschte weihnachtliche Stimmung. Das Essen, das die Sträflinge mitten am Nachmittag bekamen, bestand aus Erbsensuppe, dem üblichen Stück Pökelfleisch und dem üblichen Laib Hartbrot. Zur Feier des Tages erhielt jeder ein halbes Pint billigen Rum aus Rio. Und die Chance, einen Welpen zu gewinnen. Sophia hatte nämlich unter Balmains tätiger Mithilfe in Zachariah
Clarks Koje fünf gesunde Junge zur Welt gebracht. Und keine gewöhnlichen. Zwei sahen aus wie Möpse, zwei eher wie Drahthaarterrier mit vorspringendem Unterkiefer, während der fünfte das Ebenbild seines Vaters Wallace war. Leutnant Shairp, der stolze Ersatzvater, überließ Balmain die freie Wahl, und der Arzt entschied sich für einen Mops. Leutnant Johnstone, die stolze Ersatzmutter, folgte seinem Beispiel. Das Paar mit dem lachsartigen Unterkiefer ging an Leutnant Shortland und den ersten Maat.
    Kompliziert wurde es, als Leutnant Furser, der Ire, den fünften dankend ablehnte, weil er wie ein schottischer Terrier aussah. Diesen Gedanken behielt er allerdings für sich, denn schließlich war Weihnachten.
    »Aber wer soll dann den kleinen MacGregor bekommen?«, fragte Shairp.
    »Etwa Esmeralda oder sein Kumpan Clark?«
    Das gesamte Achterdeck grinste höhnisch.
    »Dann schlage ich vor«, fuhr Shairp fort, »wir schenken ihn den Gefangenen zu Weihnachten. Von denen hat keiner einen Hund.« Das gesamte Achterdeck war von der Idee begeistert und stieß mit einem Gemisch aus Portwein und Rum darauf an.
    An Heiligabend, kurz nach dem Essen, erschienen die beiden Ersatzeltern im Gefängnis, Shairp mit dem kleinen MacGregor auf dem Arm. Beide Offiziere waren sturzbetrunken, was an den Festtagen keineswegs ungewöhnlich war. Kein Offizier der Marineinfanterie war nach dem Essen noch halbwegs nüchtern, keiner bis auf Leutnant Ralph Clark, der auf der Friendship Limonade schlürfte und seine Rumrationen bei den Zimmerleuten gegen eine Schreibmappe oder ein Kniepult eintauschte oder sich von Sträflingen ein Hemd oder Handschuhe nähen ließ.
    Mit Spielkarten wurde um MacGregor gelost. Wer ein Karo-Ass zog, blieb im Rennen. Unter lautem Gejohle zogen drei Männer ein Karo-Ass. Shairp, der auf dem Tisch saß, rief nach drei Strohhalmen, war aber so betrunken, dass Johnstone sie halten musste.
    »Der längste gewinnt!«, rief Shairp.
    Joey Long zog ihn und vergoss Freudentränen.
    »Long hat den längsten!« Shairp musste so lachen, dass er vom
Tisch fiel und von Richard und Will wieder auf die Füße gestellt werden musste. Unterdessen nahm Joey das zappelnde Knäuel auf den Arm und bedeckte es mit Küssen.
    »Wir lassen ihn bei der Mutter, bis wir in der Botany Bay sind«, rief Johnstone. »Sowie wir an Land gehen, kriegst du ihn.«
    Gott hätte nicht gütiger sein können, dachte Richard, als er, müde vom Rum und ausnahmsweise einmal nicht von dem Wunsch beseelt, an Deck zu gehen, in den Schlaf sank. Seit Ikes Tod sieht der brave Joey keinen Sinn mehr im Leben. Jetzt hat er einen Hund, den er lieben kann. Gott hat ihn aus der Abhängigkeit von mir befreit, und ich bete, dass den anderen dasselbe Glück beschieden sein

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