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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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möge. Sobald wir dieses Gefängnis verlassen, dürfte es schwierig werden, zusammenzubleiben.
     
    Ende Dezember legten die Schiffe täglich über 180 Meilen zurück, obwohl das Wetter denkbar schlecht war - schwere Seen, Böen und tosende Stürme am 43° südlicher Breite.
    Das neue Jahr, 1788, begann mit Regen und Gegenwind. Die Neujahrsstürme bliesen gegen den Bug, und die drei Schiffe krochen mühsam zum 44° südlicher Breite. Dann endlich erwischten sie eine günstige Brise und schafften an einem Tag 191 Meilen. Als jeden Augenblick die Südspitze von Van-Diemens-Land in Sicht kommen musste, gab Leutnant Shortland den Schiffen den Befehl, die Ankertrossen anzustecken, für alle Fälle. Der Sturm nahm zu. Die Friendship segelte sich die Vormarsleesegelstenge ab, sodass das Segel in Fetzen ging. Land war noch immer nicht in Sicht.
    Aus Angst vor Riffen und Klippen, die nicht in den Karten verzeichnet waren, ließ Shortland am Morgen des 4. Januar die Besatzungen aller Schiffe in Bereitschaft versetzen. Am Morgen darauf ertönte der lang ersehnte Ruf: »Land ahoi!« Da war sie, die Südspitze von Neusüdwales. Ein mächtiger Felsen.
    Sobald sie das Kap umsegelt hatten, änderten sie ihren Kurs von Ost auf Nord zu Nordost. Die letzten tausend Meilen bis zur Botany Bay wurden die deprimierendsten der gesamten Reise. Das Ziel so nah und doch so fern! Gegenwind, Gegenstrom, alles hatte sich gegen sie verschworen. An manchen Tagen standen die drei
Schiffe abends meilenweit südlich der Position vom Vortag, an anderen Tagen mussten sie immer wieder über Stag gehen und warten, ohne dass ein Ende abzusehen war. Dann wieder gab es Tage mit tückischen Böen. Eines Nachts segelte sich die Friendship das Vorstengestagsegel ab. Mühsam krochen sie bis zum 39° südlicher Breite hinauf und rutschten wieder bis zum 42° hinunter. Das Großstagsegel der Friendship ging in Fetzen - ihr fünfter Segelverlust seit Kapstadt. Sie mussten kämpfen, um überhaupt voranzukommen.
    Die mühsame Fahrt mochte den Sträflingen weniger aufs Gemüt schlagen als den Navigatoren, doch die ungenießbare Kost hatte dieselbe Wirkung. Nur gelegentlich erhaschten sie einen Blick auf Neusüdwales. Die Entfernung war zu groß, um einen Eindruck zu bekommen. Ihre einzige Freude waren die zahllosen Robben, die übermütig zwischen den Schiffen tollten, regelrechte Clowns, die sich mit den Flossen auf die Brust schlugen, tauchten und sich prustend im Wasser wälzten. Und wo Robben waren, gab es auch Fische. Sämige Fischsuppe bereicherte wieder den Speisezettel.
    Am 15. Januar hatten sie sich bis zum 35° südlicher Breite vorgekämpft, und gegen Mittag sichteten sie Kap Dromedar, das Captain Cook wegen seiner Ähnlichkeit mit den Wüstenschiffen so getauft hatte.
    »Nur noch hundertfünfzig Meilen«, sagte Donovan, der Freiwache hatte und angeln wollte.
    Will Connelly seufzte. Trotz des wolkenverhangenen Himmels war es so heiß, dass er sich nicht hinsetzen und lesen konnte, und so hatte er beschlossen zu angeln. »Allmählich glaube ich, dass wir die Botany Bay niemals erreichen, Mr Donovan. Seit Weihnachten sind vier Männer gestorben, und jeder weiß, woran. Nicht am Fieber oder an der Ruhr. Aus Verzweiflung, vor Heimweh, aus Hoffnungslosigkeit. Die meisten von uns leben mittlerweile über ein Jahr auf diesem Schiff - wir sind letztes Jahr am 6. Januar an Bord gegangen. Letztes Jahr! Wie sich das anhört. Ich glaube, die Männer sind gestorben, weil sie die Hoffnung verloren haben, jemals wieder von diesem grässlichen Schiff herunterzukommen. Hundertfünfzig Meilen, sagen Sie. Es könnten genauso gut zehntausend
sein. Wenn wir in diesem Jahr etwas gelernt haben, dann wie weit es bis zum anderen Ende der Welt ist. Und wie fern wir der Heimat sind.«
    Donovan presste die Lippen zusammen. »Die letzten Meilen bringen wir auch noch hinter uns«, sagte er schließlich, ohne den Blick von der Schnur zu wenden, an deren Ende ein Stück Kork schwamm. »Captain Cook hat vor diesem Gegenstrom gewarnt, aber wir kommen trotzdem voran. Wir brauchen nur eine günstige Brise aus Südost, und wir werden sie bekommen. Das Wetter schlägt um. Zuerst bekommen wir einen Sturm, dann eine Brise aus Südost. Ich irre mich nicht.«
    Überstaggehen und warten, überstaggehen und warten. Die Robben waren verschwunden und hatten tausenden von Tümmlern Platz gemacht. Dann, nach einem drückend heißen Tag, explodierte der Himmel. Unter ohrenbetäubenden Donnerschlägen

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