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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Richard. »Dann bekommen Sie in zwei Jahren mehr Rum, als Sie trinken können.«
    »Wie bitte?«
    »Ach, natürlich brauche ich auch noch zwei Kupferkessel, etwas Kupferblech, ein paar Kupferrohre und einige in der Mitte durchgesägte Fässer«, fuhr Richard lächelnd fort. »Ich kann unter anderem auch Schnaps brennen, Mr Donovan.«
    »Donnerwetter, Sie sind wirklich der Traum jedes Kommandanten, Richard! Und nennen Sie mich doch bitte endlich Stephen! Ich rede Sie doch auch mit dem Vornamen an. Nach all den Jahren
wird es wirklich Zeit, dass Sie Ihre Förmlichkeit ablegen, auch wenn Sie immer noch ein Sträfling sind. Ich hasse diese Bristoler Manieren!«
    »Tut mir Leid, Stephen«, sagte Richard augenzwinkernd.
    »Na also! Geschafft!« Stephen war überglücklich, endlich seinen Namen aus Richards Mund zu hören, doch er verbarg seine Gefühle hinter einem Stirnrunzeln. »Die Seesoldaten murren, weil nie genug Rum da ist, um ihnen volle Rationen zu geben, und Leutnant Creswell ist mit seiner Weisheit am Ende. Ihm geht es ja auch nicht besser. King kümmert das natürlich nicht, solange er seinen Portwein hat, aber Creswell würde lieber Rum trinken. In Port Jackson gibt es auch kaum welchen. Ich wette, eine Rumbrennerei auf Norfolk Island würde die volle Zustimmung Seiner Exzellenz finden. Es wäre viel billiger, selbst Rum herzustellen, als ihn per Schiff herzuschaffen, und selbst der idealistischste Beamte weiß, dass Rum ebenso wichtig ist wie Brot und Pökelfleisch.«
    »Ich kann ja schon mal ein Zuckerrohrfeld anlegen. Dagegen dürfte niemand etwas haben. Zuckerrohr gedeiht auf diesem Boden prächtig, und die Raupen mögen es nicht. Und Weizen und Mais werden wir diesen Sommer trotz der Ratten und Raupen ernten können, da bin ich sicher.«
    »Ich hoffe es für uns alle. Harry Ball von der Supply sagt, dass bald noch mehr Leute hierher gebracht werden.« Stephen schauderte. »Ich glaube, nie in meinem Leben, nicht einmal während des Orkans, graute mir so wie damals, als das ganze Tal eine einzige wimmelnde Masse von Raupen war. Die Hunnen waren nichts dagegen. Ich dachte wirklich schon, der Teufel hätte sie uns geschickt. Brr!« Wieder überlief ihn ein Schauer. Er wechselte das Thema. »Wer vergreift sich eigentlich an unseren Schweinen, Richard? Eins wurde getötet, ein anderes verstümmelt.«
    Mit einer an Liebe grenzenden Zuneigung studierte Richard Stephens Gesicht, nur dass Liebe seiner Meinung nach nicht der richtige Ausdruck für das war, was er für den Freund empfand. Nicht weil das sexuelle Element fehlte, sondern weil Liebe ein Gefühl war, das er mit William Henry, der kleinen Mary und Peg verband.
    Jahrelang hatte er die Erinnerung an diese drei Menschen verdrängt,
doch nun war sie plötzlich wieder da, so klar wie der Bach, der weiter oben aus dem Fels sprudelte, so weit weg wie die Sterne und zugleich so nah wie MacTavish auf seinem Schoß. Weder die Zeit noch all das, was er inzwischen erlebt hatte, hatten sie trüben oder gar auslöschen können. Ich bin wie ein Gefäß, das mit ihrem Licht gefüllt ist, dachte Richard, und irgendwann, irgendwo werde ich diese Liebe wieder erfahren. Nicht in einem jenseitigen Leben, sondern hier, auf dieser Insel. Ich bin wieder erwacht und lebendig. Ich berste vor Leben! Und ich will diese Lebenskraft nicht verschwenden, ich will nicht zu den Leuten gehören, die überall nur mutwillig Schaden anrichten. Peg, die kleine Mary und William Henry sind hier. Sie warten auf mich. Sie werden bei mir sein.
    Stephen entging die Veränderung in Richard nicht. Als hätte Richard eine alte Haut abgestreift, dachte er. Was habe ich denn gesagt? Was hat diese erstaunliche Verwandlung bewirkt? Und warum darf ausgerechnet ich ihr Zeuge werden?
    »Wer das Schwein getötet hat?«, nahm Richard Stephens Frage auf. »Das ist doch klar. Len Dyer.«
    »Warum Len Dyer?«
    »Er ist scharf auf Mary Gamble, die aber keinen an sich heranlässt. Er hat sie angesprochen wie ein Rüpel, ohne Respekt oder Interesse für sie als Mensch. Du weißt schon, was ich meine. ›He, Gamble, lass uns ficken.‹ Da hat sie ihn vor seinen Kumpanen beschimpft.« Richard machte ein grimmiges Gesicht. »Dyer ist hinterhältig und rachsüchtig. Mary hat schon einmal eine Axt nach einem Eber geworfen und wäre dafür beinahe ausgepeitscht worden. Warum nicht ein paar Schweine abstechen? Man wird dann natürlich sofort Mary verdächtigen.«
    »Jetzt nicht mehr, mit solchen Burschen werde ich fertig.«

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