Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
dort weitere Felder anzulegen, hatte King ihn nicht gehen lassen.
    Richard hielt es dagegen für das Vernünftigste, die Insel Norfolk zu erschließen und die Leute überall wohnen zu lassen, wo es ihnen gefiel. Ihm graute bei dem Gedanken, das schnell wachsende Sydney Town könnte sich schließlich bis ins Arthur’s Vale hinauf ausbreiten, denn er genoss es, dort droben keine Nachbarn zu haben. Am Hang hatte er eine Grube ausgehoben, die ihm als Abtritt diente, weiter oben hatte er inmitten von Baumfarnen ein Bad angelegt. Er wusch sich in einem kleinen Seitenkanal, den er vom Bach aus in den Wald geleitet hatte, sodass er den Bach selbst nicht verunreinigte. Unter Kings Regiment hatte er den Tag kommen sehen, an dem Sydney Town ihn erreichte. Nicht dass er Major Ross für klüger gehalten hätte als Leutnant King. Ross war nur ganz anders als sein Vorgänger und würde das Problem des großen und plötzlichen Bevölkerungszuwachses vielleicht anders lösen als King.
    »Dann trocknet der Major seinen Mantel jetzt wohl bereits in seinem neuen Amtssitz?«, fragte Richard.
    »Sicher. Der arme Mr King! Einerseits ist er begeistert von der wichtigen Mission, mit der der Gouverneur ihn betraut, andererseits treibt ihn die Vorstellung, was Major Ross aus der Insel machen wird, fast zur Verzweiflung.«
     
    Innerhalb von vier Tagen war die Einwohnerzahl Norfolks von 149 auf 424 gestiegen. Mit der Sirius und der Supply waren mehr Leute eingetroffen, als bis zum März 1790 überhaupt auf der Insel gelebt hatten. Die beiden Schiffe hatten auch zusätzliche Lebensmittelvorräte an Bord.
    »Aber bei weitem nicht genug!«, klagte Leutnant King. »Von was soll ich all diese Leute denn ernähren?«
    »Das wird nicht Ihre Sorge sein«, entgegnete der Major ruppig. »Sie sind nur noch bis zur Abfahrt der Supply Kommandant, also nicht mehr lange. Wir müssen nur noch warten, bis die See ruhiger
wird, damit das Schiff seine Fracht auf dieser Seite der Insel ausladen kann. Bis zu Ihrer Abreise werde ich mich Ihren Entscheidungen unterwerfen. Doch die Verpflegung dieser Leute ist meine Sache. Ihre Unterbringung ebenfalls.« Er legte den Arm um seinen zehnjährigen Sohn Alexander John, der zum Leutnant der Seesoldaten ernannt worden war. Nach dem Tod von Captain John Shea waren die anderen Offiziere in der Hierarchie aufgerückt, sodass am unteren Ende ein Offiziersposten frei wurde. Der kleine John, wie alle ihn nannten, war ein stilles Kind, das sich hütete, das Leben seines Vater schwieriger zu machen, als es bereits war. Er wusste sehr wohl, dass die unübliche Beförderung ihn bei den anderen Offizieren nicht beliebt machte, doch er fügte sich in sein Schicksal.
    Major Ross blickte von der Anhöhe, auf der sein bescheidener Amtssitz stand, über die Ebene von Sydney Town. Dort herrschte dasselbe Chaos wie seinerzeit nach der Landung in Port Jackson. Menschen wanderten ziellos umher, darunter die 56 neuen Seesoldaten, die noch kein Quartier hatten. Ihre Offiziere hatten acht mal zehn Fuß große Hütten alteingesessener Sträflinge beschlagnahmt, die sich nun unter die neu eingetroffenen Obdachlosen mischten und dadurch für noch mehr Verwirrung sorgten.
    »Ich hoffe, Sie haben tüchtige Säger, Mr King«, sage Ross grimmig.
    »Ja, einige schon.« King war so aufgeregt, dass er Mühe hatte, sich zu beherrschen. Ihm wurde plötzlich ganz bang bei dem Gedanken, Norfolk Island verlassen zu müssen. »Es gibt hier drei Sägegruben, aber wir brauchen noch mehr Säger. Wie Sie ja selbst wissen, Major Ross, ist es nicht leicht, geeignete Männer zu finden.«
    »Unter den neuen Sträflingen sind ein paar Säger aus Port Jackson.«
    »Hoffentlich auch weitere Sägen.«
    »Seine Exzellenz hat alle Zugsägen bis auf drei sowie hundert Handsägen mitgeschickt.« Ross nahm den Arm von der Schulter seines Sohnes. »Sägt Richard Morgan auch?«
    Über Kings unglückliches Gesicht glitt ein Lächeln. »Ich wüsste
nicht, was ich ohne ihn anfangen sollte«, erwiderte er. »Er ist so unersetzlich wie mein Schreiner Nat Lucas oder mein Sekretär Tom Crowder.«
    »Ich sagte Ihnen ja, dass Morgan ein guter Mann ist. Wo ist er?«
    »Er sägt den ganzen Tag.«
    »Und wer schärft die Sägen?«
    King grinste. »Er lässt inzwischen Frauen die Sägen schärfen, was hervorragend klappt. Sein Partner an der Säge ist der Gefreite Wigfall, weil es unter den Sträflingen keine geeigneten Männer mehr gab. Keiner reißt sich um die anstrengende Arbeit, aber sie

Weitere Kostenlose Bücher