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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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und Hunter war Neusüdwales nur ein trostloser Vorposten ohne Entwicklungsmöglichkeiten. Wahrscheinlich hätten sie der Krone
empfohlen, das Experiment sofort zu beenden. Der Gouverneur seinerseits glaubte fest an die Zukunft von Neusüdwales. Es war nur eine Frage der Zeit und des Geldes.
    Er schickte deshalb mit der Supply nicht nur weitere Sträflinge nach Norfolk Island, sondern auch einen Brief an Leutnant King, in dem er ihm befahl, mit Ann Innet und seinem Sohn nach Port Jackson zurückzukehren, wo er mit den Einzelheiten einer höchst wichtigen Mission vertraut gemacht werden würde. Seinen Platz in Norfolk sollte Vizegouverneur Ross einnehmen. So schlug Gouverneur Phillip mehrere Fliegen mit einer Klappe: Er wurde nicht nur Major Ross los, sondern auch Captain Hunter, der mit der Sirius von Norfolk Island aus nach China weitersegeln sollte. Und wenn die Insel erst 424 Einwohner hatte, hatte Port Jackson nur noch 591.
     
    Am Samstag, dem 13. März 1790, trafen die Sirius und die Supply zusammen vor Norfolk Island ein. Sie mussten zunächst vor der Cascade Bay auf der Leeseite der Insel Anker werfen, da nach einem nassen, windigen Sommer die Äquinoktialstürme mit voller Macht eingesetzt hatten. Der Weg quer durch die Insel war schon beschwerlich genug, ihn zu erreichen freilich noch schwieriger, da die Küste von Cascade Bay steil ins Meer abfiel. Der einzige Pfad zur Kuppe führte vom Landungsfelsen durch eine Schlucht so steil nach oben, dass die Frauen ohne fremde Hilfe nicht hinaufsteigen konnten, zumal das Wasser den Boden aufgeweicht und schlüpfrig gemacht hatte.
    King schickte alle Sträflinge mit Ausnahme der Säger und Schreiner zum anderen Ende der Insel, um mitzuhelfen, die von Major Ross angeführten Neuankömmlinge und ihr Gepäck zur Kuppe hinauf und dann über die Insel nach Sydney Town zu bringen.
    »Der arme Teufel tat mir schrecklich Leid«, sagte Stephen zu Richard. Die beiden saßen in Richards Haus vor einem selbst gekochten Mittagessen, das aus kaltem, ungesüßtem Reisauflauf, einem kleinen Stück Pökelfleisch und einer Hand voll Petersilie bestand, und sahen durch das offene Fenster in den prasselnden Regen.
Stephen hatte das Mehl und das Pökelfleisch beigesteuert, Richard den Reis und die Petersilie.
    »Du meinst Major Ross?«
    »Ja. Er und Hunter hassen einander wie die Pest, und Hunter schickte Ross mit einem Beiboot der Sirius an Land, das bis zu den Dollborden mit Hühnern, Puten, Kisten und Fässern beladen war. Ross bekam so schlimme Wadenkrämpfe, dass er es kaum noch schaffte, vom Boot auf den Landungsfelsen zu springen. Von Hunters Männern half ihm keiner. Ich glaube, sie hätten den Major zu gern um sein Leben schwimmen sehen. Doch Major Ross wäre nicht Major Ross, wenn er ihnen diesen Spaß gegönnt hätte. Er gelangte so trocken ans Ufer, wie es bei dem Regen möglich war. Seine Sachen sind immer noch auf der Sirius und werden sicher zuletzt ausgeladen. Ich habe ihn abgeholt und wollte ihm den gefährlichen Hang hinaufhelfen, doch glaubst du, er hätte das zugelassen? Er doch nicht! Nass bis auf die Haut, hoch erhobenen Hauptes und mit verkniffenem Mund stieg er zur Kuppe hinauf und rannte dann so schnell über die Insel, dass ich kaum hinterherkam. Er mag aussehen wie ein Pferd, aber er ist wirklich ein Prachtkerl!«
    Richard grinste breit, sagte aber nichts. Er stand auf, stellte die Teller in den Regen hinaus und wischte den Tisch ab. Natürlich hatte es sich nach dem letzten Besuch der Supply schnell herumgesprochen, dass Leutnant King gehen und durch Major Ross ersetzt werden sollte. Fast alle Inselbewohner stöhnten, als sie das hörten, besonders Männer wie Dyer und Francis. Richard Morgan dagegen fand die Aussicht gar nicht so schlecht. Leutnant King war ein guter Kommandant gewesen, aber für seinen familiären Stil waren im Grunde schon 149 Leute zu viel. Die Insel war zwar nicht groß, doch war Sydney Town nicht der einzige Ort, an dem Menschen angesiedelt werden konnten. Trotzdem hatte King nur eine andere Siedlung gegründet: Phillipburgh, wo der Flachs verarbeitet werden sollte. King wollte alle Mitglieder seiner inzwischen gewachsenen Familie in der kleinen Ebene um Sydney Town um sich wissen. Er war ganz aus dem Häuschen gewesen, als Robert Webb mit Beth Henderson nach Cascade ausgewandert war,
und als Richard Phillimore von der Scarborough in ein idyllisches kleines Tal hinter der Landspitze am östlichen Ende des Strandes hatte ziehen wollen, um

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