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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Stephen stand auf und warf Richard übermütig eine Kusshand zu. »Nenn mich doch bitte noch einmal Stephen.«
    »Stephen«, sagte Richard lachend. »Aber jetzt geh. Ich muss an die Arbeit.«
     
    Leutnant King hatte in dem Gebiet zwischen den alten Gemüsebeeten und Point Hunter am Ende der Turtle Bay unter der Erde
ein leicht abbaubares Gestein entdeckt. Zunächst wollte er den Stein für Kamine und Öfen verwenden, doch dann stellte er fest, dass er gebrannt einen hervorragenden Kalk ergab.
    Im Dezember brachte die Supply weitere Sträflinge, die die Einwohnerzahl von Norfolk Island auf 132 erhöhten, und außerdem ein Schreiben von Gouverneur Phillip mit der Anweisung, die Verpflegungsrationen um ein Drittel zu kürzen. In Port Jackson hatte er dasselbe angeordnet.
    Seit zwei Jahren war kein Schiff aus England mehr eingetroffen. Das sehnlichst erwartete Versorgungsschiff Guardian , das neben privaten Gütern von Angehörigen der Marine Tonnen von Mehl, Pökelfleisch und anderen Lebensmitteln sowie Tiere nach Port Jackson bringen sollte, war nicht gekommen, und niemand wusste, warum. Seit einem Jahr hielten die Wachposten auf der südlichen Landspitze vor der Hafeneinfahrt von Port Jackson nun schon vergeblich nach der Guardian Ausschau. Jedes Segel, das sie am Horizont zu erkennen glaubten, entpuppte sich zu ihrer Enttäuschung als Fontäne eines Wals, Schaumkrone oder ein niedriges weißes Wölkchen. Die Lebensmittel, die die Sirius im Mai 1789 vom Kap der Guten Hoffnung mitgebracht hatte, gingen allmählich zur Neige, ohne dass Nachschub in Sicht gewesen wäre. Die einzige Hoffnung von Gouverneur Phillip war Norfolk Island, auf dessen Feldern zumindest einige Dinge wuchsen und wo es keine plündernden Eingeborenen gab.
    Die im Dezember mit der Supply eingetroffenen Neuankömmlinge schilderten die Zustände in Port Jackson als katastrophal. Die Menschen dort waren inzwischen bis auf die Knochen abgemagert und buchstäblich vom Hungertod bedroht. Auf dem Rose Hill und in einigen Gebieten nördlich und südlich von Port Jackson wuchs inzwischen zwar etwas Gemüse, doch mit einer nennenswerten Getreideernte war in den nächsten Jahren nicht zu rechnen.
    Gouverneur Phillip beschloss, die Sirius nach China zu schicken, wo es Reis und Rauchfleisch im Überfluss gab und außerdem Tee und Zucker, mit denen man den Sträflingen das entbehrungsreiche Leben etwas versüßen konnte. Außerdem hoffte er, in
den europäischen Handelsniederlassungen in Wampoa Rum kaufen zu können. Dass die Lage Anfang 1790 noch schlimmer sein würde als Anfang 1789, hatte er nicht erwartet.
    Während die Sirius für die lange Reise gerüstet wurde, fuhr die Supply noch einmal mit Sträflingen an Bord nach Norfolk. Später sollte die Sirius auf dem Weg in den Orient zusammen mit der Supply weitere 183 Sträflinge - 116 Männer und 67 Frauen - sowie 28 Kinder, 8 Offiziere und 56 Seesoldaten nach Norfolk bringen. Danach hatte die Insel 424 Einwohner.
    Der Gouverneur kannte seine Untergebenen, insbesondere Leutnant Phillip Gidley King, der mit ihm auf der Ariadne und der Europa gedient hatte. Die Berichte Kings, die die Supply von ihren Fahrten nach Norfolk Island mitbrachte, ließen Seine Exzellenz daran zweifeln, ob King seinen Aufgaben als Inselkommandant noch gewachsen sein würde, wenn die kleine Inselgemeinde plötzlich so groß war, dass er die Menschen nicht mehr persönlich kannte. King hatte seinen Sohn auf den Namen der Insel getauft! Schon das zeigte, was für ein Romantiker er war. Und ein Romantiker war nicht geeignet, eine große Sträflingskolonie zu regieren.
    Gouverneur Phillip überlegte sich noch aus anderen Gründen, King abzuberufen. Erstens wäre er gern den nörgeligen Schotten Major Ross losgeworden, zweitens musste er so schnell wie möglich einen Mann, dem er voll vertrauen konnte, nach England schicken. Der Gesandte sollte in Erfahrung bringen, warum kein Nachschub kam, und die derzeitigen Machthaber davon überzeugen, dass Neusüdwales zwar alle Voraussetzungen erfüllte, eine blühende Kolonie zu werden, dazu jedoch mehr Entwicklungshilfe brauchte. Die bewilligten 50 000 Pfund waren lächerlich wenig, wenn man bedachte, dass die Ostindische Kompanie jährlich allein für Bestechungsgelder mehr ausgab! Philip vertraute King, Ross dagegen nicht. Er hätte auch Captain Hunter von der Sirius schicken können, doch dem traute er ebenfalls nicht, weil Hunter wie Ross ein typischer schottischer Schwarzseher war. Für Ross

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