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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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und werfen den Rest weg.«
    »Ach ja, gewiss!«, quiekste Kitty und zog sich verstört zurück.
    »Richard«, sagte Stephen, nachdem sie mit einem Eimer zur Tür hinaus war, um, wie sie stammelnd erklärte, Wasser am Bach zu holen, »manchmal bist du ein richtiger Dummkopf.«
    »Wie bitte?«, fragte Richard verdutzt.
    »Wenn das arme Ding mal etwas zu sagen wagt, stopfst du ihr
mit Vernunft und Logik den Mund! Sie kocht uns ein köstliches Mahl, und wie dankst du es ihr? Indem du dich wie Gottvater persönlich aufführst!«
    Richard sperrte fassungslos den Mund auf. »Gottvater?«
    »So kommst du mir in letzter Zeit vor. Du weißt doch - Gottvater, Sohn und Heiliger Geist. Gott sitzt auf seinem Thron und verteilt nach Gutdünken Lob und Tadel, obwohl mir scheint, dass er ebenso mit Blindheit geschlagen ist wie jeder andere Richter innerhalb oder außerhalb der Christenheit. Kitty ist das harmloseste seiner Geschöpfe - für einen verliebten Mann benimmst du dich wie ein Tollpatsch, Richard! Wenn du sie begehrst, warum, in Dreiteufelsnamen, handelst du dann nicht entsprechend?«
    Richard lauschte den Vorhaltungen mit einem Gesicht, das Stephen unter anderen Umständen zum Lachen gebracht hätte, doch dann entgegnete er entschieden: »Ich bin zu alt, du hast Recht - sie sieht in mir einen Vater, und das ist durchaus nicht abwegig. Meine Tochter wäre heute in ihrem Alter.«
    »Dann bring sie davon ab, du Narr«, rief Stephen aufgebracht. »Zum Donnerwetter, Richard, du bist einer der schönsten Männer, die ich je gesehen habe! Du hast keinen Makel - ich muss es wissen, denn ich habe lange nach welchen gesucht. Ich habe dich geliebt, bevor ich auf die Welt kam, und ich werde dich noch lieben, wenn ich lange tot bin. Dass ich schwul bin und du nicht, ist ohne Belang - man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Es geschieht einfach. Irgendwie ist es uns gelungen, mit unseren unterschiedlichen Neigungen zurechtzukommen und eine Freundschaft zu schmieden, die allen Stürmen standhalten wird. Ja, ich weiß, das dumme Ding glaubt, es sei in mich verliebt. Tu etwas dagegen!«
    »Aber du sagst doch selbst, dass man sich nicht aussuchen kann, in wen man sich verliebt. Es geschieht einfach. Und sie hat sich in dich verliebt, nicht in mich.«
    »Nein, verstehst du denn nicht? Herrgott noch mal, Richard, manchmal bist du wirklich ein Esel. Kitty ist noch ein halbes Kind, ich bin ihre erste Liebe, und die erste Liebe bleibt immer unerfüllt. Eine kindliche Schwärmerei. Mensch, sie ist eine reife Pflaume, die
man nur zu pflücken braucht. Ich habe sie neulich ins Tal gehen sehen, mit einem leeren Korb in der Hand. Der Wind hat ihr direkt ins Gesicht geblasen und die unförmigen Kleider an den Leib gedrückt - würde ich mir etwas aus Frauen machen, hätte ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Und glaub ja nicht, dass andere Männer das nicht bemerken. Bis auf die Augen mag ihr Gesicht wenig Vorzüge haben, aber sie hat den Körper einer Venus. Lange wohlgeformte Beine, pralle Hüften, eine schmale Taille und prachtvolle Brüste - eine Venus! Wenn du keinen Anspruch auf sie erhebst, dann tut es ein anderer, auch auf die Gefahr hin, dass du ihm sämtliche Knochen brichst.«
    Stephen sprang auf. »Ich gehe jetzt nach Hause zu Tobias, bevor sie zurückkommt. Sag ihr, mir sei eingefallen, dass ich noch etwas Dringendes zu erledigen hätte.« Er ging zur Tür. »Du bist zu geduldig, Richard. Das ist eine bewundernswerte Tugend, aber wenn die Katze eine Stunde lang die Maus belauert, stößt vielleicht ein Habicht vom Himmel herab und schnappt sie ihr vor der Nase weg.«
    Kitty drückte sich in den Schatten unter dem Fenster, aber Stephen ging, ohne nach links und rechts zu schauen, mit schnellen Schritten den Weg zwischen den Gemüsebeeten hinunter und verschwand in der Dunkelheit. Kaum war er fort, schlich Kitty zum Bach. Warum war er nicht so tief, dass man sich darin ertränken konnte? Sie war stehen geblieben, als sie hörte, wie Stephen Richard einen Dummkopf nannte. Neugierig geworden und alle Redensarten über heimliche Lauscher vergessend, war sie zum Fenster geeilt und hatte lange Ohren gemacht.
    Wie war das möglich? Wie konnte Stephen sagen, dass er in Richard verliebt sei? Ihr schwirrte der Kopf, sie konnte es nicht begreifen. Stephen war doch ein Mann! Und trotzdem liebte - und begehrte - er einen anderen Mann. Richard. Und ihre Liebe tat er als kindliche Schwärmerei ab. Er nannte sie ein Kind. Sprach von

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