Insel der Versuchung
Allenbys unfreundlichem Empfang zu urteilen, war es wohl kein normaler Besuch.
„Ich habe gehört, dass man Ihnen angeboten hat, ein Wächter zu werden“, knurrte Allenby und zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. „Wollen Sie annehmen?“
In den Tagen seit Caros erstaunlicher Enthüllungen über die Wächter des Schwertes hatte Max an wenig anderes gedacht, war einer Entscheidung aber nicht näher gekommen. „Ich habe noch keinen Entschluss gefasst.“
„Wenn Sie nicht Vorhaben, auf Kyrene zu bleiben, wäre es besser, wenn Sie abreisen.“
„Ich bin nicht sicher, dass ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.“
„Worauf ich hinauswill? Ich möchte wissen, was Ihre Absichten bezüglich Caro Evers sind, Sir! Ehrenhaft oder nicht? Machen Sie ihr den Hof, oder ist sie für Sie nur ein Zeitvertreib?“ „Ich denke, das geht nur Miss Evers und mich etwas an.“
Finster starrte der Arzt ihn an. „Und ich mache es zu meiner Angelegenheit, junger Mann. Seit dem Tod ihres Vater habe ich die Verantwortung für Caro übernommen.“
Max verkniff sich eine Antwort. Er verstand, dass der mürrische alte Arzt Caro beschützen wollte.
„Sie haben außergewöhnlich viel Zeit in ihrer Gesellschaft verbracht“, fuhr Allenby fort.
Das stimmte nicht ganz. Zum einen hatte Caro genug zu tun, um viel Zeit mit ihm zu verbringen. Und zum anderen hatte er sich Mühe geben, seine neuen Bekanntschaften zu pflegen, damit seine Liaison mit Cara nicht allgemein bekannt wurde.
„Ich genieße Miss Evers’ Freundschaft, Doktor. Und sie scheint meine zu genießen.“
„Sie behaupten also, Sie wollten nichts als Freundschaft von ihr? Ich war auch einmal ein junger Mann, und ich weiß, wie die Insel die Leidenschaft eines Mannes wecken kann.“
Max würde seine Leidenschaft gewiss nicht mit dem Arzt diskutieren oder seine intime Beziehung zu Caro, aber er beschloss, ihm eine Erklärung zu geben, die ihn beschwichtigen würde. „Caro betrachtet mich als Patienten“, sagte er. „Ein Soldat, der unter den Nachwirkungen des Krieges leidet. Wenn sie mir ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit schenkt, dann aus dem einzigen Grund, weil sie mich wie alle anderen verwundeten Geschöpfe kurieren will.“
„Hm. Patient oder nicht, ich denke, Sie sind ihr ein wenig zu sehr ans Herz gewachsen. Daraus kann nichts Gutes entstehen.“ „Warum sagen Sie das?“
„Weil Sie ihr nur wehtun werden. Wenn Sie nicht auf Kyrene bleiben wollen, haben Sie keine gemeinsame Zukunft. Ich werde nicht zulassen, dass Sie sie hier weglocken. Hier ist ihr Zuhause. Woanders passt sie nicht hin. Hier kann sie tun, was ihr wichtig ist - Medizin praktizieren und die Rolle ihres Vaters bei den Wächtern einnehmen. Haben Sie darüber nachgedacht, Sir?“
Nein, er hatte sich nicht gestattet, so weit vorauszudenken -das musste Max zugeben.
„Und wenn Ihre Absichten nicht ehrenwert sind ...“ Der ältere Mann hob drohend einen gichtgekrümmten Finger. „Dann werde ich Sie zur Verantwortung ziehen. Jetzt gehen Sie, damit ich mich ausruhen kann. Ich muss wieder gesund werden, wenn Caro ruhigen Gewissens zu ihrer Mission aufbrechen soll.“
So abrupt entlassen, gehorchte Max. Er wusste nicht, ob er amüsiert oder indigniert über die Warnung des alten Mannes sein oder sie einfach vergessen sollte.
Die Einmischung war gut gemeint, daran zweifelte Max nicht. Und zugegebenermaßen hatte Dr. Allenbys Befragung ihm seine Selbstsüchtigkeit deutlich vor Augen geführt. Er hatte Caro ausgenutzt - ihren Trost angenommen, sie benutzt, damit sie seine seelischen Wunden heilte und seine körperlichen Bedürfnisse befriedigte.
Er hatte geglaubt, wenn er sein physisches Verlangen nach Caro erst einmal gestillt hatte, würde sie ihn nicht mehr bis in seine Träume verfolgen. Er hatte damit gerechnet, dass er zu dem Zeitpunkt, da er Kyrene verließ, seine Sehnsucht nach ihr unter Kontrolle haben würde. Aber ihr leidenschaftliches Zusammensein hatte genau die entgegengesetzte Wirkung.
Er hatte begonnen, Cara über alle Vernunft hinaus zu begehren. Er überlegte, ob die Dringlichkeit seines Verlangens je nachlassen würde.
Der Arzt hatte eine weitere gute Frage angesprochen: Wie sahen seine Absichten Cara gegenüber aus? Bis jetzt hatte er ihr gegenüber noch nicht einmal das Wort Heirat erwähnt. Es verriet eine Menge, dass er bei dem bloßen Gedanken daran nicht schon zusammenzuckte. Keine Frau außer Cara konnte ihn dazu bringen, zu erwägen, eine Ehe und damit das Risiko
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