Insel der Versuchung
bereits angebrochen. Wollt Ihr nicht lieber warten, bis es Tag ist, wenn Ihr Euer Ziel auch sehen könnt?“
„Das wird nicht nötig sein. Ein Ziel in der Dunkelheit zu treffen, wird ein guter Test sein.“
Zu Caros Überraschung verließen alle Männer daraufhin sofort den Raum, so dass sie mit den Dienerinnen allein zurückblieb.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, ehe die Männer zurückkehrten, und sie hatte schon begonnen, sich Sorgen zu machen. Doch an den Gesichtern der Berber konnte sie ablesen, dass der Test erfolgreich verlaufen war und die Beratungen über einen kundigen Führer begannen.
Während der langwierigen Verhandlungen konnte Caro ihre Ungeduld kaum beherrschen, endlich Isabella zu finden.
Max und sein Gastgeber einigten sich schließlich auf fünfzehn Gewehre, und Saful schien zufrieden, bis ihm seine Gastgeberpflichten wieder einfielen.
„Möchten Sie sich vielleicht in Ihre Räume zurückziehen, um sich vor dem Abendmahl frisch zu machen?“
„Es wäre gut, den Staub abzuwaschen“, antwortete Max. Mit dem Kopf deutete er auf Caro hinter sich. „Könntet Ihr auch eine Kammer für meine Frau finden?“
Caro spürte den nachdenklichen Blick, mit dem Saful sie musterte, aber sie blieb mit niedergeschlagenen Augen sitzen und ließ sich durch nichts anmerken, dass sie etwas von der Unterhaltung verstanden hatte.
„Sie kann nicht gut Französisch“, fügte Max hinzu. „Nur Portugiesisch.“
„Meine Dienerschaft wird für ihre Bequemlichkeit sorgen“, erklärte Saful und winkte herrisch eine der älteren Berberfrauen herbei.
Max’ Ton war gleichgültig, als er hinzusetzte: „Ich hätte es gerne, dass sie nachher in meine Räume kommt.“
Diesmal verriet Safuls Musterung pures männliches Interesse. „Sie ist von einer seltenen Schönheit. Ich frage mich, ob Sie schon einmal darüber nachgedacht haben, sie zu verkaufen?“ Diesmal fiel es Cara schwer, eine unbeteiligte Miene beizubehalten. Nur wenige Männer hatten ihr je Schönheit bescheinigt. Und sicherlich hatte niemand je angeboten, sie zu kaufen. Sie konnte ihre plötzliche Anziehungskraft nur dem Kohlstift zuschreiben und dem künstlichen Wangen- und Lippenrot, das sie aufgetragen hatte.
Die Belustigung in Max’ Stimme entging ihr nicht, als er antwortete: „Ich bezweifle, dass sie Euch gefallen würde, sidi. Sie muss erst noch Unterwürfigkeit lernen und besitzt die scharfe Zunge einer Natter.“
„Dann wären Sie gut beraten, sie zu verkaufen. Ich schätze Frauen mit Geist und würde eben jene Eigenschaften begrüßen, die Sie beklagen.“
Als Max sich umdrehte, um Cara anzusehen, weckte seine selbstzufriedene Miene in ihr den Wunsch, ihn zu schlagen.
„Trotzdem“, antwortete er bedauernd, „steht sie nicht zum Verkauf. Ich vermute, Ihr habt auch Frauen, die Ihr nicht gehen lassen wollt.“
Mit einem knappen Lächeln nickte Saful.
Max trug Cara auf Portugiesisch auf, der Berberfrau zu folgen. Als sie sich von den Kissen erhob, hörte sie Max fragen: „Darf ich mich erkundigen, wie es kommt, dass Ihr ein so ausgezeichnetes Französisch sprecht?“
Safuls Lächeln strotzte von männlicher Befriedigung. „Viele Jahre lang hatte ich eine höchst erfreuliche Konkubine aus Frankreich ...“
Cara schüttelte ihre Erbitterung über Max ab, als sie der Dienerin durch das Haus folgte und ihre Hoffnung mit jedem Schritt wuchs. Mit ein bisschen Glück würde sie bald Isabella sehen.
Die Frauenunterkünfte befanden sich auf der Rückseite des Hauses, und Cara schlug helles Frauenlachen entgegen, als sie den Gemeinschaftsraum betrat.
Sie erspähte ihre Freundin sogleich - sie lag auf einem Diwan und plauderte auf Französisch mit einer Gruppe junger Berberfrauen, die um sie herum auf Kissen saßen.
Isabella schien Hof zu halten, was gar nicht so überraschend war, denn sie besaß eine magnetische Ausstrahlung, die alle Menschen anzog - besonders Männer. Halb spanischer, halb englischer Herkunft, war Isabella mit glänzendem schwarzem Haar und funkelnden schwarzen Augen von einer sinnlichen Schönheit, obwohl sie die Vierzig schon überschritten hatte. Ihre Anziehungskraft war ebenso ihrer Lebhaftigkeit und Lebensfreude zuzuschreiben wie ihren vollkommenen Zügen.
Wenn der Berberfürst Frauen mit Geist schätzt, überlegte Caro, dann muss er Isabella zu Füßen liegen.
Caro blieb einen Moment stehen und betrachtete ihre geliebte Freundin. Sie musste sich sehr beherrschen, um nicht einfach quer durch den Raum zu
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