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Insel der Versuchung

Titel: Insel der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Jordan
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irgendwie gelungen war, nach dem Sieg über Napoleon und dem Ende der Kämpfe zu genesen. Im Moment sieht er jedenfalls nicht so aus, als würde er leiden, dachte sie ironisch.
    Sie war unendlich froh, dass er den Krieg überlebt hatte. Und er verdiente Freude, ganz bestimmt. Bedachte man die Schrecken, die er erlebt haben musste, dann half ihm sicher der betäubende Wirbel der Londoner Vergnügungen, all das Entsetzliche zu vergessen. Aber es war eine ernüchternde Erkenntnis, dass er offensichtlich ein Lebemann geworden war. Und weitaus schlimmer war der Schmerz, ihn inmitten so vieler schöner Frauen zu sehen.
    In diesem Moment drehte er sich um und fing ihren Blick quer durch den Ballsaal auf. Ihr Herz schien auszusetzen. Er war immer noch derselbe unvergessliche Mann, den sie so oft in ihren Träumen sah. Dies waren dieselben beeindruckenden Züge, dieselben bezwingenden blauen Augen, umrahmt von dunklen Wimpern, und er besaß immer noch dieselbe kraftvolle Männlichkeit.
    Als sie spürte, wie Hitze in ihrem Körper aufstieg, schimpfte Caro sich eine Närrin.
    Trotz ihrer plötzlich trockenen Kehle gelang es ihr zu schlucken. Wenn von ihr verlangt wurde, mit ihm zu sprechen, würde sie ihr Bestes geben, damit man ihr den inneren Aufruhr nicht ansah. Und falls er, der Himmel möge es verhindern, die lang zurückliegende Nacht erwähnte, würde sie alles rundweg abstreiten und so tun, als sei sie weltgewandt wie die Frauen, die ihn umlagerten und um seine Aufmerksamkeit buhlten.
    Doch zuerst musste sie Thornes Tante finden.
    Mit einiger Mühe wandte sie den Blick ab und entdeckte Lady Hennessy an einer Wand, wo sie zwischen den anderen Matronen saß. Dankbar für die Ablenkung machte sich Caro auf den Weg durch die Menge zu ihr.
    Überrascht schaute die stämmige, silberhaarige Dame auf, begann zu strahlen, dann jedoch wurde ihre Miene besorgt. „Mein liebes Mädchen, was tust du hier? Sir Gawain? Ist etwas geschehen?“
    Caro beugte sich vor, um die faltige Wange zu küssen, die ihr geboten wurde. „Sir Gawain geht es gut, Mylady. Aber ich fürchte, ich habe andere bedauerliche Neuigkeiten ... und eine Bitte Ihres Neffen. Dürfte ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?“
    Lady Hennessys Freundinnen zu beiden Seiten verstanden den Fingerzeig und verließen ihre Plätze, so dass Caro sich auf einen der frei gewordenen Stühle setzen konnte.
    „Nun gut“, sagte die ältere Dame und verengte ihre scharf blickenden Augen. „Erzähl mir, in welch waghalsige Unternehmungen mein Taugenichts von einem Neffen diesmal verwickelt ist.“
    „Sie scheinen außergewöhnliches Interesse an Miss Evers zu haben, Mr. Leighton“, drang eine Frauenstimme vorwurfsvoll an Max’ Ohr. „Sie wissen sicherlich, dass sie nur versucht, Aufmerksamkeit zu erregen.“
    „Ja“, beklagte sich eine andere junge Dame. „Es passt zu ihr, eine Szene zu machen, indem sie in ihrer schmutzigen Reisekleidung auf einem Ball erscheint.“
    Entschlossen wandte Max sich wieder den umstehenden Damen zu und zog eine Augenbraue hoch. „Sie denken, sie ist bloß hier, um aufzufallen?“
    Ein halbes Dutzend Damen antworteten auf einmal, alle begierig, ihn mit Klatschgeschichten von Caro Evers zu ergötzen.
    „Ich wurde im selben Jahr wie sie in die Gesellschaft eingeführt“, erklärte eine.
    „Schon damals war sie für eine Debütantin zu alt.“
    „Ich erinnere mich daran, dass sie still und ungeschickt war. Sie hatte praktisch keinen gesellschaftlichen Schliff.“
    „Sie wollte noch nicht einmal tanzen.“
    „Doch es war der Skandal, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“
    „Für die arme Lady Hennessy war es so demütigend.“
    Alle fielen in das trillernde Gelächter ein, es schien, als teilten sie dieselbe Erinnerung.
    „Was für ein Skandal?“ fragte Max mit plötzlich erwachter Neugier.
    „Auf dem Ball machte das Gerücht die Runde, dass Miss Evers sich als Mann verkleidete, um an Medizinvorlesungen teilzunehmen.“
    „Sie wurde dabei erwischt, wie sie nackte Leichen studierte! “ „Und noch schlimmer, sie untersuchte gerade die Eingeweide.
    Es war das Gesprächsthema des Abends.“
    Einige der jungen Damen erschauerten. Die große Blondine, die Max vorhin nachgestellt hatte, fügte hämisch hinzu: „Und dafür wurde sie mit Schimpf und Schande aus der guten Gesellschaft verstoßen.“
    Aus verengten Augen schaute Max die junge Witwe stirnrunzelnd an. Sein Missfallen entging ihr offensichtlich nicht, denn sie sprach

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