Insel der Versuchung
Lungenleiden, und die Ärzte meinten, der dauerhafte Aufenthalt in warmem Klima würde ihr gut tun. Es hat geholfen, aber nicht genug.“ Caro lächelte traurig. „Genau genommen war die Krankheit meiner Mutter der Hauptgrund dafür, dass ich mich für Heilkunst und Medizin zu interessieren begann.“
„Und dein Vater hat dich darin unterstützt?“
„In jeder Hinsicht. Er war dankbar, dass ich etwas zu tun hatte, während er fort war.“
„Was hat ihn so oft von zu Hause abberufen?“
„Verschiedene diplomatische Pflichten für das Außenministerium“, erwiderte sie, ihm wieder dieselbe Halbwahrheit auftischend, die alle zu hören bekamen. „Er trauerte so tief um meine Mutter, dass er sich ganz in seine Arbeit vergrub. Und dann wurde er umgebracht, als ich sechzehn war ..."
Plötzlich brach Caro ab. Ihr Vater war in Frankreich während einer Mission für die Wächter getötet worden. Nach seinem Tod hatte sie seinen Platz im Bund der Wächter eingenommen. Aber sie durfte der Wahrheit nicht so nahe kommen, denn Max war viel zu scharfsinnig.
Als sie schwieg, fragte er weiter. „Und doch hast du deine Saison bei Thornes Tante verbracht. Wie kam das?“
Wenigstens hatte er ein verhältnismäßig sicheres Thema gewählt. Inzwischen konnte sie auf jene Tage zurückblicken, ohne sich so elend zu fühlen wie damals. Sie konnte sogar über sich selbst lachen, dass sie sich in ihrer Naivität gewünscht hatte, in diese hochnäsige, nichtswürdige Gesellschaft zu passen. Nun schien ihr deren Akzeptanz so unbedeutend, weil sie viel Wichtigeres zu tun hatte.
„Merkwürdig, aber Lady Hennessy und ich sind Freundinnen geworden, als sie Thorne einmal auf der Insel besucht hat. Ihre eigenen Töchter waren da schon erwachsen, und ich denke, vielleicht war sie auch nur entsetzt, dass ich ... bäuerisch und bar jeden gesellschaftlichen Schliffes war.“ Caro konnte sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen. „Du weißt sicher, dass Lady Hennessy eine der führenden Damen des ton ist, nicht wahr?“
„Ja“, bestätigte Max.
„Sie glaubt fest daran, dass jede junge Dame eine Saison haben sollte. Sie hat sich meiner angenommen und angeboten, mich in die Gesellschaft einzuführen. Eigentlich war es Isabella, die mich dazu überredet hat. Bella hatte nie viel für die britische Gesellschaft übrig, aber sie überzeugte mich, dass es wichtig sei, meinen Horizont zu erweitern. Mehr von der Welt zu sehen, ehe ich mich endgültig auf der Insel vergrabe. Sie behauptete, dass wenn ich mehr vom Leben gesehen hätte, ich bessere Entscheidungen treffen könnte.“ Wie die, nicht den Wächtern beizutreten, dachte Caro. „Es ist für alle jungen Mädchen aus guter Familie üblich, eine Saison in London mitzumachen. Daher bin ich vor fünf Jahren dorthin gefahren, zusammen mit zwei anderen Debütantinnen und ihren Familien. Um es kurz und bündig zu sagen: Ich war kein Erfolg.“
„Wegen deines unkonventionellen Interesses an Medizin.“ Caro rümpfte die Nase und warf ihm einen kecken Blick zu. „Exakt. Und wie du vielleicht schon bemerkt hast, bin ich weder schweigsam noch züchtig oder mädchenhaft.“
Sie konnte die Erheiterung in Max’ Augen sehen, noch bevor er antwortete. „Nein, schweigsam, züchtig oder mädchenhaft sind keine Qualitäten, die ich dir zusprechen würde.“
„Und ich war nicht willens, mir mit weiblicher List einen Ehemann zu angeln. Um also Lady Hennessy weitere Verlegenheiten zu ersparen, habe ich meinen Londonaufenthalt vorzeitig abgebrochen. Aber es hat mich nicht im Mindesten gestört, nach Kyrene zurückzukehren und mit Dr. Allenby zu arbeiten.“ Ihr Lächeln wurde eine Spur trotzig. „Ich habe mich darauf eingerichtet, eine alte Jungfer zu werden, und bin damit glücklich.
Mein Leben ist ausgefüllt.“
Das entsprach der Wahrheit. Sich an Missionen zu beteiligen, wann immer eine Frau oder jemand mit medizinischen Kenntnissen gebraucht wurde, dem ältlichen Arzt der Insel zu helfen ... auch wenn sie anfangs besonders mit den Vorurteilen der männlichen Inselbewohner zu kämpfen gehabt hatte.
Trotzdem sah Max sie mit diesem seltsamen Ausdruck in den Augen an, als könne er sich nicht entscheiden, was er von ihr halten sollte.
„Und du bist die ganze Zeit freiwillig unverheiratet geblieben?“ fragte er.
„Ja.“ Es gab unzählige Gründe gegen eine Ehe. Der wichtigste war ihre Sorge, dass ein Ehemann von ihr verlangen könnte, ihre beiden ungewöhnlichen Beschäftigungen
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