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Insel der Versuchung

Titel: Insel der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Jordan
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besänftigenden Stimme und ihren zarten Händen beruhigen. Ihre grauen Augen waren weich, strahlend und verständnisvoll.
    Doch auch sie konnte ihm nicht helfen, seine Schuld zu vergessen.
    Die verwickelte Decke zurückschlagend, schwang Max seine Beine aus der Koje und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Er spürte den brennenden Schmerz immer noch so deutlich, als wäre es gestern gewesen statt vor fünf Jahren. Dieser eine Moment verhängnisvollen Heldenmuts, als sein Freund umgekehrt war, um ihn zu retten, und vor seinen Augen gestorben war.
    Gott... er zitterte immer noch.
    Max holte tief Luft und wünschte, sich besser unter Kontrolle zu haben. Er wollte Philips Tod niemals vergessen, doch er sehnte sich danach, für einen Moment von den Schmerzen befreit sein.
    Während des Tages wusste er, wie er sich betäuben konnte. An
    Land unternahm er ausgedehnte Ritte und verausgabte sich bis an die Grenze seiner Kräfte, damit er vor Erschöpfung einschlief. Aber im Augenblick hatte er kein Pferd zur Verfügung, wie schon die ganze verdammte, endlose Reise lang nicht. In London hätte er geradewegs zu Jacksons Boxsalon gehen können, wo er seiner Erbitterung durch sportliche Betätigung Luft machen konnte. Aber an Bord des Schoners gab es niemanden, mit dem er seine Kräfte auf diesem Gebiet messen konnte, und ganz gewiss nicht so spät in der Nacht, wenn der größte Teil der Besatzung schlief.
    Max erhob sich aus der Koje und durchquerte die dunkle Kajüte. Er brauchte kein Licht, um das Messer zu finden. Er zog die lederne Scheide hervor, die die drei Zoll lange Stahlklinge mit dem geschnitzten Holzgriff schützte.
    Philips Messer. Sein Freund hatte es benutzt, um sich in den sich endlos hinziehenden Stunden vor einer Schlacht zu beschäftigen, hatte Gegenstände aus Holz geschnitzt - grobe Figuren, Männer, Soldaten und Pferde. Nicht so detailgetreu wie die Spielzeugsoldaten, mit denen sie als Kinder gespielt hatten, doch irgendwie echter. Philip hatte das Messer immer bei sich getragen, auch an jenem letzten, schrecklichen Tag.
    Und Max bewahrte es auf, um das Opfer seines Freundes nie zu vergessen.
    In den Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte er eine seltsame Angewohnheit entwickelt, die ihn beruhigte, wenn er nicht schlafen konnte. Das Messer zu werfen, wieder und immer wieder. Die Eintönigkeit dieser Beschäftigung befreite ihn manchmal von seinen trostlosen Gedanken.
    Fast geräuschlos kleidete Max sich im Dunkeln an. Dann zog er das Messer aus der Scheide und verließ die Kabine, um nach oben an Deck zu gehen, wo er wenigstens atmen konnte.

4. KAPITEL
    Plötzlich schreckte Caro aus ihrem unruhigen Traum auf. Was hatte sie nur geweckt? Das gedämpfte Schließen einer Kajütentür? Leise Schritte auf dem Korridor?
    Einen Moment lag sie da und lauschte dem Wind in den Segeln, getröstet durch das vertraute Knarren, mit dem das Schiff durch die Wellen glitt. Das fast schmerzhafte Verlangen aus ihrem Traum von Max war noch nicht verflogen, dennoch konnte sie das Gefühl einfach nicht abschütteln, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Sie kletterte aus ihrer schmalen Koje und tastete nach ihren Halbstiefeln, dann warf sie sich einen Umhang über ihr Nachthemd und schlüpfte aus ihrer Kajüte.
    Der Flur war dunkel, ebenso wie die Stufen der Leiter, die aufs Oberdeck führte. Doch als sie an die frische Luft trat, warf die Mondsichel silbriges Licht über den Schoner, das die geblähten Segel strahlend weiß erschienen ließ.
    Caro blieb stehen, bis ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, und hörte das vertraute Geräusch eines dumpfen Aufpralls zu ihrer Rechten. Als sie sich umdrehte, sah sie einen Mann am Heck des Schoners stehen, dessen Umrisse sich scharf gegen den Nachthimmel abzeichneten.
    Sie erkannte ihn sofort an seinen Schultern. Noch vor wenigen Minuten hatte sie sich in ihrem erotischen Traum an eben diese muskulösen Schultern geklammert. Sie kannte seinen männlichen Körper; jede Linie, jeden Zoll Haut und Sehnen.
    Als sie das Geräusch von eben wieder hörte, trat sie wie von einer unerbittlichen Kraft gezogen näher.
    Im Schatten verborgen, beobachtete sie, wie Max sein Messer warf, aber mittendrin abbrach, seinen Kopf abrupt zu ihr umwandte, gerade so, als ob er ihre Nähe spüren konnte.
    „Max, ich bin es, Caro“, rief sie ihm zu, damit er sie nicht für
    eine Bedrohung hielt.
    Selbst in dem schwachen Licht konnte sie sehen, wie sich seine Finger unruhig um den Messergriff

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