Insel der Versuchung
verfluchte Schwäche für ihn überwinden, und wenn es das Letzte war, was sie tat.
Max stand im hellen Tageslicht an der Reling und dachte an den unglückseligen Zwischenfall mit Caro gestern Nacht. Trotz der Grobheit, mit der er sie fortgeschickt hatte, war sein Grund dafür lobenswert gewesen. Es wäre unverzeihlich gewesen, ihr Mitgefühl für alle Leidenden auszunutzen. Er hatte sie mehr als seinen nächsten Atemzug gewollt - aber nicht unter diesen Bedingungen.
Und er hatte auch nicht gewollt, dass sie in seinen Geheimnissen herumstocherte. Wollte nicht, dass sie wusste, wie oft er nachts schweißgebadet und zitternd aufwachte, wenn er in seinen Träumen Philips Tod wieder durchlebte. Wie es aussah, hatte er letzte Nacht schon zu viel gesagt. Zu viel über sich verraten.
Dennoch, nur eine winzige Kostprobe von Caros Zärtlichkeit hatte etwas von der Eiseskälte vertreiben, die ihn umfangen hielt.
Es war nicht das erste Mal. Seit er sie in den römischen Ruinen geliebt hatte, schienen sie durch ein unsichtbares Band miteinander vereint. Sie war sein Schutzengel, der liebende Geist, der über ihn wachte.
Er hatte nicht mitgezählt, wie oft sie ihm durch die dunkelsten Stunden der Nacht geholfen hatte. Manchmal rief sie leise seinen Namen, weckte ihn aus dem Albtraum. Manchmal sang sie, brachte ihm Ruhe, so dass er einschlief. Manchmal sogar führte er im Geiste Unterhaltungen mit ihr.
Immer beschwor er bewusst ihr Bild vor sich herauf, träumte absichtlich von ihr, um die unangenehmen Erinnerungen fern zu halten.
Das letzte Jahr wäre er verrückt geworden, wäre sie nicht gewesen.
Oder vielleicht war er sogar ein bisschen verrückt. Er konnte weder vergessen noch sich verzeihen, was auf dem Schlachtfeld von Talvera geschehen war.
Wie kannst du weiterleben, wenn dein bester Freund sich für dich geopfert hat?
Unverwandt schaute Max auf das strahlend blaue Meer, das goldene Sonnenlicht, das darauf glitzerte. Ohne ihn wäre Philip nie in den Krieg gezogen. Philip Hurst war der Erbe eines Earls, und die ältesten Söhne von Adeligen waren nicht als Kanonenfutter vorgesehen. Aber sein Freund musste nicht lange überredet werden, um mitzukommen.
Sie waren beide damals so erpicht darauf gewesen, so verdammt idealistisch. Sie hatten sich nach Spanien eingeschifft, lachend und darüber scherzend, wie viele Franzosen sie erledigen würden. Doch schnell genug hatten sie die entsetzliche Wirklichkeit des Krieges kennen gelernt.
Bei der Erinnerung daran biss Max die Zähne zusammen. Er hatte sich immer geweigert, mit irgendjemandem über Philips Tod zu sprechen. Bis heute konnte er sich nicht dazu überwinden, seine Trauer zu zeigen, seine Schuldgefühle einzugestehen. Nicht einmal Caro gegenüber. Dennoch hätte er gestern bei seiner Zurückweisung sanfter vorgehen müssen.
Er brauchte ihren Trost. Ihre Berührung war heilsam. Aber mehr als alles andere wollte er ihre Leidenschaft.
Gegen das grelle Licht kniff Max die Augen zusammen, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling. Er hatte sich eine Stelle ausgesucht, von der aus er sofort sehen konnte, wenn Caro an Deck kam.
Gestern Nacht hatte er sie absichtlich vertrieben, aber jetzt wollte er den Fehler wieder gutmachen.
Er wollte ihr zweifelsfrei klar machen, dass sein Schmerz über den Tod seines Freundes nichts mit seinen Gefühlen für sie zu tun hatten.
Sie entdeckte Max in dem Augenblick, als sie das Deck betrat, und blieb stehen. Bei der Erinnerung an ihr dreistes Verhalten gestern Nacht färbten sich ihre Wangen rot. Selbst nach ein paar Stunden rastlosen Schlafes spürte sie noch den Stich seiner Zurückweisung.
Als er übers Deck auf sie zukam, straffte sie die Schultern. Sie war entschlossen, sich zu behaupten. Sein rabenschwarzes Haar war windzerzaust, und eine einzelne Locke fiel ihm in die Stirn, was ihn jünger und verletzlicher aussehen ließ. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
Bevor sie etwas sagen konnte, streckte Max die Hand aus, um ihr zuvorzukommen. „Ich muss mich bei dir entschuldigen, Engel. Ich weiß, dass du mir letzte Nacht nur helfen wolltest.“
Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. „Ja, das wollte ich.“
„Ich spreche nicht gerne über meine Albträume.“
„Das habe ich gemerkt“, entgegnete Caro trocken. „Aber du musst keine Angst haben, dass ich meinen Fehler wiederholen könnte. Ich werde nicht wieder versuchen, dich zu trösten.“ „Das würde ich zutiefst bedauern. Letzte Nacht
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