Insel der Versuchung
„Thome ist der Draufgänger, der Teufelskerl. Er hat Nerven wie Drahtseile.“
„Ich vermute, dann ist Sir Gawain der Meisterstratege?“
„Ja. Er verteilt die Aufträge. Aber selbst da sind seine Anweisungen nicht unumstößlich. Er erwartet, dass wir unseren Verstand benutzen, auf unsere Instinkte hören und unsere Fähigkeiten einsetzen. Wir planen für Unvorhergesehenes, aber nicht alles läuft so, wie wir es uns ausgedacht haben. In solchen Fällen steht es uns wenn nötig frei, die Regeln der Ehre oder des Üblichen zu brechen.“
Solche Freiheit hatte etwas überaus Verlockendes für Max, der mehr als einmal die Anweisungen seiner Vorgesetzten Offiziere bedenklich gefunden hatte, sogar die des großen Wellington.
„Für einen guten Taktiker hätten wir durchaus noch Verwendung“, fügte Ryder hinzu. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass Sie diese Rolle übernehmen könnten.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Aber ich will offen mit Ihnen sein, Leighton. Die meisten von uns arbeiten seit Jahren zusammen, und wir heißen Außenstehende nicht leicht willkommen.“
Max begriff, was Ryder unausgesprochen ließ. Sie waren mehr als ein Haufen Abenteurer oder Rebellen, die sich zusammengetan hatten, um waghalsige Aktionen durchzuführen; sie waren eine Gruppe enger Freunde, die zusammen Gefahren bestanden und ihr Leben riskierten. „Eine Art Bruderschaft“, sagte er leise.
„Ja. Jeder würde für den anderen und unsere Sache sterben.“ „Und worum genau handelt es sich bei dieser Sache?“
Der Ausdruck in Ryders Augen wurde vage. „Das zu erklären, überlasse ich Sir Gawain. Er hätte es gerne, wenn Sie übermorgen bei ihm vorsprechen ... Vorausgesetzt, Sie sind auch unter diesen Bedingungen noch interessiert -, Gesundheit und Leben für Ihre Mitstreiter aufs Spiel zu setzen.“
Max wandte seinen Blick ab und starrte in seinen Brandy, während vor seinem geistigen Auge Bilder aus dem Krieg vorüberzogen. Er hatte genug Blut und Leichen für ein ganzes Leben und mehr gesehen. Aber es war nicht die Möglichkeit zu sterben, die ihm Angst machte, sondern dass seine Freunde ihr Leben für seines geben könnten. Bei diesem Gedanken krampfte sich sein Inneres zusammen.
Konnte er diesen Schrecken noch einmal ertragen?
„Wenn ich mit Ihnen arbeite“, sagte Max schließlich leise, „verspreche ich, Ihnen keinen Anlass zu geben, das zu bereuen.“ Ryder nickte mit offensichtlicher Befriedigung. „Das ist, was Caro über Sie gesagt hat, und ich neige dazu, ihrer Menschenkenntnis zu trauen.“
Als Caros Name fiel, zog Max eine Augenbraue hoch. „Was hat Miss Evers damit zu tun?“
Einer von Ryders Mundwinkeln zuckte. „Caro ist eine von uns, wussten Sie das nicht?“
„Sie arbeitet für das Außenministerium?“
„Ja, und sie wird uns bei der Rettungsmission begleiten.“
„Sie scherzen“, entgegnete Max zweifelnd.
„Nicht im Geringsten. Wir könnten sie nicht aufhalten, selbst wenn wir das wollten. Aber haben Sie keine Angst, Leighton, Caro wird ihren Mann stehen, sozusagen. Ich kenne nur wenige, die besser schießen oder mit dem Degen umgehen können, von ihren medizinischen Kenntnissen ganz zu schweigen. Und es gibt Zeiten, in denen nur eine Frau unsere Mission zu einem erfolgreichen Ende führen kann. Schon allein deshalb ist sie für uns von unschätzbarem Wert.“
Max schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Caro unkonventionell war, aber in welchem Ausmaß, hatte er nicht geahnt. Er fand es schwer, die beiden Seiten ihrer Persönlichkeit in Einklang zu bringen - eine Agentin in Diensten des britischen Außenministeriums und die bezaubernde Frau, die er als Heilerin und seinen Schutzengel kannte. Offensichtlich war sie weitaus bemerkenswerter, als er gedacht hatte. Im Angesicht dieser neuen Enthüllung fragte er sich, welche Geheimnisse Caro ihm noch verschwiegen hatte.
Er merkte, dass er in Gedanken abgeschweift war, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine unerwarteten Gäste. „Also, wie lautet Ihr Urteil über mich?“ wollte er von Ryder wissen. „Habe ich Sie umstimmen können?“
„Dazu ist es zu früh“, erklärte Ryder gedehnt. „Aber ein weiteres Glas von Thornes ausgezeichnetem Brandy wäre überaus hilfreich, mich umzustimmen.“
Mit einem trockenen Lächeln deutete Max auf die Karaffe. „Bitte, bedienen Sie sich. Ich bin sicher, Thorne wird es verstehen, wenn wir seine Vorräte einem guten Zweck opfern.“
Er musterte sie stumm, während er sie
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