Insel der Versuchung
Kopfsteinpflasterstraße schlängelte sich zum Wasser hinab.
Im Hafen roch es nach Salzwasser, Fisch und Teer, doch er erschien makellos sauber. Außer zahlreichen Fischerbooten sah Max zwei weitere Segelschiffe vor Anker liegen. Caro schien sie zu erkennen und wirkte erleichtert.
Als Max sie nach den Segelschiffen fragen wollte, begann der Schoner, seine Fahrt zu verlangsamen, und der Kapitän rief den Befehl, die Segel zu raffen.
„Sobald wir angelegt haben“, teilte Caro ihm mit, „wird dir Kapitän Biddick den Weg zu Thornes Villa zeigen. Es wird nicht lange dauern, dahin zu gelangen.“
„Du wirst nicht mitkommen?“
Sie musterte ihn schnippisch, erinnerte ihn wortlos an die Wette, die sie eben erst eingegangen waren. „Du brauchst mich nicht. Und ich muss sobald wie möglich mit Sir Gawain reden, um zu erfahren, was in meiner Abwesenheit herausgefunden wurde. Außerdem soll ich ihm Nachrichten bringen.“
„Sollten wir nicht auch über meine Beteiligung sprechen?“ „Das kann warten. Er wird Zeit benötigen, um Thornes Empfehlungsschreiben zu lesen und zu entscheiden, wie er dich einsetzen will, wenn das der Fall ist.“
Max’ Mund kräuselte sich. „Du warst nicht dafür, dass ich euch helfe. Kann ich dir trauen, dass du nicht gegen mich arbeitest, Engel?“
„Wenn du so gut bist, wie Thorne sagt, dann werde ich deine Hilfe begrüßen. Und gleichgültig, was ich denke, Sir Gawain wird sich seine eigene Meinung bilden. Er ist ein ausgezeichneter Menschenkenner.“
Max hätte sich vielleicht zu einer verteidigenden Antwort verleiten lassen, doch Caros ganze Aufmerksamkeit galt dem Kai.
„Es ist möglich, dass jemand auf mich wartet“, sagte sie leise, fast wie zu sich selbst, und suchte mit den Augen die Menge am Anleger ab. „Ah, da ist Señor Verra.“
Sie schien einen hoch gewachsenen, dunkelhäutigen Mann zu meinen, der neben einem von zwei Maultieren gezogenen Wagen stand. Und als sie die Hand hob und winkte, erwiderte der Mann die Geste.
„Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich dich allein lasse“, erwiderte Caro süßlich und ließ durchblicken, wie gerne sie ihn los wäre.
„Selbstverständlich“, erwiderte er und achtete darauf, seinen Ton leicht zu halten. „Deine Freundin Lady Isabella steht an erster Stelle. Werde ich dich morgen sehen?“
„Vielleicht erst übermorgen. Dr. Allenby braucht mich unter Umständen, da er die ganze Zeit ohne Hilfe auskommen musste. Aber ich werde dafür sorgen, dass jemand aus dem Inseladel bei dir vorspricht, um dich willkommen zu heißen.“
Das lederumwickelte Päckchen, das Thorne ihr gegeben hatte, fester fassend, schritt sie über das Achterdeck zum Kapitän. Sie beriet sich einen Augenblick mit ihm, und Kapitän Biddick nickte mehrmals, ehe er sie zur Reling geleitete.
Trotz ihrer Röcke stieg Caro geschickt die Strickleiter hinab in ein Beiboot, in dem sie zu den Docks gerudert wurde.
Max fühlte sich seltsam verlassen. Kurz darauf verspürte er
einen Stich der Eifersucht, als Caro sich angeregt mit Señor Verra unterhielt. Er beobachtete, wie sie Verra erlaubte, ihr in den Wagen zu helfen, und pures männliches Besitzdenken wallte in ihm auf. Er ließ sie nicht aus den Augen, während sie den steilen Weg zur Stadt hinauffuhren.
Beinahe zuckte er zusammen, als der Kapitän plötzlich neben ihm zu sprechen begann.
„Willkommen auf Kyrene, Mr. Leighton. Sie werden Ihren Aufenthalt auf unserer schönen Insel sicher genießen.“
Max’ Mund verzog sich zu einem trockenen Lächeln, während er dem entschwindenden Wagen nachsah. Diese Runde hatte Caro gewonnen, das musste er zugeben. Er wusste nicht, wann er sie das nächste Mal sehen würde. Und berücksichtigte man die Tatsache, dass sie gerade erst mit einem anderen Mann weggefahren war, hatte er in seinem Feldzug, sie zu erobern, einen ernsten Rückschlag erlitten.
Aber er hatte immer schon Herausforderungen genossen. Wenn er ein Wörtchen in der Angelegenheit mitzureden hatte, würde er seinen Aufenthalt auf Kyrene eindeutig genießen.
5. KAPITEL
Mit einem Glas Brandy in der Hand durchschritt Max rastlos das Arbeitszimmer bis zu den Verandatüren. Thornes luxuriöse Villa lag hoch oben auf einem Steilufer oberhalb einer abgeschiedenen Bucht und konnte mit jedem nur denkbaren Komfort aufwarten. Wie viele Landsitze im spanischen Stil besaß das Haus vier mit Veranden gesäumte Flügel, die um einen offenen Innenhof herum errichtet waren. Doch jetzt war es der
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