Insel des Sturms
Das Ganze müsste man kühl überdenken. »Der Gedanke, dass sie nicht heiraten wollen würde, ist mir bisher nie gekommen.«
»Sie denkt einfach nicht hinaus über das, was ihr mit diesem William widerfahren ist. Ich weiß, er hat ihr wehgetan, und am liebsten würde ich dem Kerl dafür den Hals umdrehen.« Seine Augen blitzten wütend. »Aber ich würde doch ihr keinen Schmerz zufügen!«
Nein, er würde sie ehren und achten, so wie alles, was er liebte, dachte Darcy, und wurde von lauterstem Mitgefühl erfüllt.
»Vielleicht ist nur die alte Wunde noch nicht vollkommen verheilt. Aber andererseits wollen nicht alle Frauen einen Ring am Finger und ein Baby im Bauch haben.«
Am liebsten hätte sie ihn gestreichelt und tröstend in den Arm genommen; doch im Moment war er zu zornig, als dass
er eine solche Nähe akzeptiert hätte. »Ich kann ihre Gefühle verstehen, Aidan. Immerhin geht es bei einer Eheschließung darum, dass man eine Grenze überschreitet, dass man sich für alle Zeiten bindet.«
»Aber das ist doch kein Ende, sondern ein Anfang!«
»Für dich wäre es ein Anfang, aber nicht für sie.« Darcy lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf die Lehne ihres Sessels. »Tja, ich bin eine einigermaßen gute Menschenkennerin, und ich sage dir, dass sich unsere liebe Jude, auch wenn sie es selbst im Augenblick noch abstreitet, nach einer festen Bindung sehnt. Sie hat einen ausgeprägten Nestbautrieb; nur hatte sie, bevor sie hierher kam, noch keinen zuverlässigen Partner gefunden. Vielleicht sind wir die Sache einfach etwas zu schnell angegangen.«
»Wir?«
»Ich meine, du«, verbesserte Darcy sich, während sie an das von ihr und Brenna geschmiedete Komplott dachte. Doch es bestand keine Veranlassung, damit jetzt herauszurücken, denn schließlich war das momentan herrschende Chaos nicht – oder zumindest nicht alleine – ihre Schuld. »Aber das ist nun nicht mehr zu ändern, also blickst du besser nicht zurück, sondern nach vorn. Du musst sie überzeugen.« Sie sah ihren Bruder aufmunternd lächelnd an. »Geh die Sache behutsam an; aber mach ihr den Verlust deutlich, wenn sie so ein original irisches Prachtstück nicht nähme. Du bist ein Gallagher, Aidan. Früher oder später kriegen wir Gallaghers doch immer, was wir wollen!«
»Du hast Recht.« Teile seines zerbrochenen Egos kehrten an ihren angestammten Platz zurück. »Jetzt gibt es keine Alternative mehr. Ich muss ihr wohl ganz einfach helfen, sich an den Gedanken zu gewöhnen.«
Erleichtert, weil seine Augen wieder blitzten, tätschelte Darcy ihm die Wange. »Ich wette, dass dir das gelingt.«
18
Sicher erwartete sie ihn nicht, zumindest nicht so früh. Aber da Darcy netterweise für ihn eingesprungen war, hatte Aidan sich ein paar Stunden vor Schließung des Pubs dort bereits verabschiedet und spazierte nun die Straße hinauf zu Judes Cottage.
Die Luft war angenehm mild, vom Meer wehte eine sanfte Brise über die Hügel und Felder, wattige Wolken schwebten schwerelos am Himmel, und zwischen ihnen funkelten massenhaft kleine, helle Sterne. Der runde, fette Mond verströmte ein sanftes, mattes Licht.
Eine wunderbare Nacht, um die Frau zu hofieren, die man zu heiraten beabsichtigte, dachte Aidan und blickte auf die zarten, pinkfarbenen Röschen, die er aus Kathy Duffys Garten geklaut hatte. Sie hätte bestimmt nichts dagegen, wenn sie wüsste, dass es einer derart guten Sache diente.
Hinter ihren Fenstern schimmerte es einladend. Er stellte sich vor, dass es in den kommenden Jahren, wenn sie erst verheiratet und eingerichtet wären, immer so sein würde. Er käme nach der Arbeit heim, und sie würde im Haus die Lichter brennen lassen, damit er sein Ziel bereits von weitem sah. Es überraschte ihn nicht, wie sehr er sich danach sehnte und wie deutlich sich die Zukunft vor ihm abzeichnete. Nacht für Nacht und Jahr für Jahr bis an sein Lebensende!
Er klopfte nicht an. Derartige Förmlichkeiten gab es zwischen ihnen beiden schon längst nicht mehr.
Tatsächlich hatte sie bereits alles aufgeräumt. Typisch, dachte er, von Zärtlichkeit erfüllt. Alles war sauber, ordentlich und so, wie es sein sollte.
Von oben hörte er Musik und folgte den Tönen.
Sie war in ihrem kleinen Arbeitszimmer, hatte das Radio angestellt, saß, den schlummernden Finn zu ihren Füßen, die
Haare ordentlich zurückgebunden, an ihrem Computer und bewegte ihre Finger flink über die Tasten.
Am liebsten hätte er sie sofort liebevoll umarmt und voller
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