Insel des Sturms
über seine Schulter geworfen hatte, als wöge er nicht mehr als ein Sack Federn, hatte es in ihrem Bauch gekribbelt, als huschten Hunderte von Ameisen darin herum. Wenn sie nicht auf der Stelle davongestapft wäre, hätte sie vor lauter Bewunderung vielleicht sogar geseufzt.
Sie schämte sich in Grund und Boden.
Aber hatte er sich auch nur ansatzweise geniert, vor ihren Augen eine Faust ins Gesicht bekommen zu haben? Nein, natürlich nicht. War er errötet, als er ihr den zu seinen Füßen liegenden betrunkenen Idioten als seinen alten, guten Freund vorgestellt hatte? Nein, natürlich nicht.
Wahrscheinlich stand er längst wieder hinter der Theke und unterhielt die Gäste seines Pubs mit der Geschichte von der dämlichen Amerikanerin, die wegen einer kleinen Schlägerei vor Entsetzen geschrien und zitternd nach der Polizei gejault hatte.
Bastard!
Verächtlich schnaubte sie auf.
Als sie in ihre Einfahrt bog, war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie sich durchaus würdevoll und angemessen verhalten hatte. Hier war Aidan Gallagher, der Narr!
Mondblumen, was für ein Quatsch! Sie knallte die Tür des Wagens derart heftig zu, dass das Echo sicher bis hinab nach Ardmore zu vernehmen war.
Energisch strich sie sich über die Haare, marschierte zum Gartentor, hob rein zufällig den Kopf und – sah die Frau hinter dem Fenster.
»O Gott!«
Jude spürte, wie auch der letzte Tropfen Blut aus ihrem Hirn in ihre Füße schoss. Das Licht des Mondes schimmerte seidig auf dem blonden Haar, den bleichen Wangen und den dunkelgrünen Augen.
Sie lächelte, ein wunderschönes, zu Herzen gehendes Lächeln, das Jude beinahe die Seele aus dem Körper riss.
Mit zusammengerafftem Mut öffnete Jude das Gartentor und sprintete zur Tür. Als sie sie aufriss, kam ihr der Gedanke, dass sie beim Verlassen des Hauses wieder mal nicht abgeschlossen hatte. Sicher war jemand hereingekommen während ihres Aufenthalts im Pub. Es würde eine vollkommen natürliche Erklärung geben.
Mit zitternden Knien hastete sie die Treppe ins Schlafzimmer hinauf.
Es war leer – ebenso wie sämtliche anderen Räume des Cottages, deren Türen sie eilig öffnete. Von der blonden Frau war lediglich ein schwacher, wehmütiger Duft geblieben.
Voller Unbehagen verschloss sie sorgfältig die Haustür, und als sie wieder in ihrem Schlafzimmer war, riegelte sie auch diese Tür von innen zu.
Sie zog sich aus, legte sich ins Bett und trotz des Lichts, das sie zu ihrer Beruhigung weiter brennen ließ, konnte sie lange Zeit nicht einschlafen.
Als ihr schließlich die Augen vor lauter Erschöpfung zufielen, träumte sie von aus der Sonne stiebenden, vom Himmel fallenden Juwelen, die ein Mann auf einem weißen, geflügelten Pferd in einer silbernen Tasche auffing.
Sie purzelten einfach vom Himmel, auf die Felder und Berge, die Seen und Flüsse, in die Sümpfe und Heidelandschaften, aus denen dieses Land bestand. Fielen auf die Zinnen stolzer Burgen und die bescheidenen, strohgedeckten Dächer kleiner Häuser, während die weißen Flügel des Pferdes im Wind brausten.
Plötzlich verstummte das Donnern der Hufe vor der Tür des kleinen weißen Cottages mit den dunkelgrünen Läden und dem blumenbewachsenen Garten auf dem Feenhügel.
Mit ihrem auf die Schultern wogenden güldnen Haar, mit
Augen von dem Grün der Felder ihrer Heimat trat sie näher. Und der Mann, dessen Haar so dunkel war wie ihres hell, sprang mit Augen, die nicht minder blitzten als der blaue Stein des Silberrings an seiner Hand, mit einem Satz von seinem Pferd.
Er schritt auf sie zu, schüttete die Flut der schimmernden Juwelen ihr direkt vor die Füße. Diamanten funkelten im Gras.
»Sie sind Zeichen meiner Leidenschaft für dich«, erklärte er in ruhigem, doch bestimmtem Ton. »Nimm sie und mich dazu – denn ich werde dir alles geben, was ich habe, und noch viele Dinge mehr.«
»Weder Leidenschaft noch Diamanten können etwas ändern.« Ihre Stimme klang gefasst, und sie hielt die Hände in ihrem Schoß gefaltet. »Denn ich bin einem anderen versprochen.«
»Aber ich werde dir alles geben, und zwar für immer. Komm mit mir, Gwen, und ich schenke dir einhundert Leben.«
»Weder Juwelen noch hundert Leben sind mein Begehr.« Eine einzelne Träne rann über ihre Wange, so schimmernd wie die Diamanten. »Ich kann mein Zuhause nicht verlassen, kann meine Welt nicht deinetwegen ändern. Weder für alle Diamanten noch für alle Leben, die du mir bietest.«
Ohne ein weiteres Wort machte er
Weitere Kostenlose Bücher