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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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oder aber dass man, wenn man seine Pflicht erfüllt, ein langes, zufriedenes, wenn auch vielleicht nicht unbedingt aufregendes Leben führen kann. Juwelen waren sicher beeindruckend, aber eben nicht die Lösung des Problems. Er hätte sich umdrehen und sehen sollen, wie sie sich in Blumen verwandelten – in Blumen, die sie dann behielt.«
    »Wie ich bereits gesagt habe, Sie sind eine kluge Frau. Ja, seine Blumen hat sie behalten.« Aidan strich mit einer Fingerspitze über die Blüten in der Flasche. »Sie war eine einfache Frau mit einfachen Gewohnheiten. Aber bei der Geschichte geht es um etwas Größeres.«
    »Und das wäre?«
    »Liebe.« Über die Blumen hinweg begegnete er ihrem Blick. »Liebe, die über alle Zeit hinweg trotz aller Hindernisse nicht erlischt. Alles wartet nur darauf, dass der Bann gebrochen wird, damit sie endlich zu ihm in seinen Silberpalast unter dem Feenhügel ziehen kann.«
    Jude musste sich dem Bann der Geschichte entziehen und Vernunft walten lassen. Schließlich ging es ihr um nichts anderes als die Analyse der alten Legende. »In Legenden wird an das glückliche Ende häufig eine Bedingung geknüpft. Man muss eine Aufgabe erfüllen, ein Rätsel lösen, eine Heldentat vollbringen. Selbst in der Welt der Märchen gibt es
kaum etwas umsonst. Die Symbole in Ihrer Geschichte tauchen häufig auf. Die mutterlose junge Frau, die sich um ihren alten Vater kümmert, der junge Prinz auf einem weißen Pferd. Die Verwendung der Elemente Sonne, Mond und Meer. Es wird nur wenig über den Mann gesagt, den sie geheiratet hatte, denn er ist nur das Mittel zum Zweck, indem er die beiden Liebenden voneinander trennt.«
    Sie machte sich eifrig Notizen, hob den Kopf und merkte, dass Aidan sie nachdenklich betrachtete. »Was?«
    »Es ist wirklich interessant, wie Sie hin und her wandern.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Wenn ich erzähle, haben Sie einen verträumten Blick und wirken sanft und weich, und jetzt sitzen Sie kerzengerade geschäftsmäßig auf Ihrem Stuhl und zerlegen die Geschichte, die Sie eben noch bezaubert hat, sorgsam in Einzelteile.«
    »Genau darum geht es mir schließlich. Außerdem hatte ich keinen verträumten Blick.«
    »Das muss ich ja wohl besser wissen, denn immerhin habe ich Sie die ganze Zeit über beobachtet.« Wieder wurde seine Stimme warm, wieder hüllte sie sie ein wie ein linder Sommertag. »Sie haben die Augen einer Meeresgöttin, Jude Frances. Groß und von einem verhangenen Grün. Ich sehe sie auch dann vor mir, wenn Sie gar nicht in meiner Nähe sind. Was halten Sie davon?«
    »Ich würde sagen, Sie sind sehr eloquent.« Ohne zu wissen, was sie tun wollte, erhob sie sich von ihrem Platz. In Ermangelung einer anderen sinnvollen Beschäftigung trug sie die Teekanne zum Herd. »Was der Grund dafür ist, dass mich Ihre Geschichte derart unterhalten hat. Ich würde gerne noch mehr davon hören, um sie mit denen meiner Großmutter und anderen Legenden zu vergleichen.«
    Sie drehte sich um und fuhr erschreckt zusammen, als er unmittelbar hinter ihr stand. »Was tun Sie da?«

    »Nichts.« Ah, jetzt habe ich dich in die Enge getrieben , dachte er zufrieden, verlieh seiner Stimme jedoch weiter einen leichten, ruhigen Klang. »Ich erzähle Ihnen gerne noch mehr aus meinem Märchenschatz.« Geschmeidig legte er seine Hände zu beiden Seiten ihres Körpers auf den Herd. »Und wenn Ihnen danach zu Mute ist, kommen Sie doch einfach an einem ruhigen Abend wieder in den Pub. Dort finden Sie noch andere Leute, die hübsche Storys auf Lager haben.«
    »Ja.« Allmählich wallte ernste Panik in ihr auf. »Das ist eine gute Idee. Ich sollte …«
    »Hat es Ihnen gestern Abend bei uns gefallen? Wie fanden Sie die Musik?«
    »Hmm.« Er roch nach Regen und nach Mann. Sie wusste einfach nicht, wohin mit ihren Händen. »Ja. Die Musik fand ich herrlich.«
    »Waren die Lieder also neu für Sie?« Er stand ihr nahe, derart nahe, dass er den schmalen bernsteinfarbenen Ring zwischen dem seidigen Schwarz ihrer Pupillen und dem rauchigen Grün der Iris deutlich sah.
    »Ah, ein paar der Lieder kannte ich durchaus. Möchten Sie noch etwas Tee?«
    »Sehr gern. Warum haben Sie nicht mitgesungen, wenn Sie doch die Lieder kannten?«
    »Mitgesungen?« Ihr Mund war staubtrocken, und sie brachte kaum noch einen Ton hervor.
    »Ich habe Sie fast die ganze Zeit über beobachtet. Sie haben nicht einen einzigen Ton über die Lippen gebracht, nicht mal beim Refrain.«
    »Oh, nun! Nein.« Er musste weg

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