Insel des Todes
Clarrie gesagt, und ich hatte
nicht weiter darüber nachgedacht. Sie sah eher aus wie ein Torpedoboot mit dem
schnittigen, zwölf Meter langen Rumpf, dem frisch geschrubbten, fleckenlos
reinen Deck und dem glitzernden Chrom.
Wir brauchten etwa eine halbe
Stunde, um den Proviant und die anderen Sachen an Bord zu bringen — einschließlich
zwei Kisten Bier — und das Boot startklar zu machen. Dann heulte schließlich
der Motor auf, und das Deck erzitterte leicht unter meinen Füßen.
Ich stand neben Clarrie am
Steuerrad, während wir sanft durch den Innenhafen glitten. Ein Gefühl der
Dankbarkeit, daß ich diesen Tag erleben durfte, beseelte mich, das
gewissermaßen noch durch Bettys Warnungen unterstrichen wurde, die sie mir
mitgegeben hatte, als sie mich verließ. Sie war irgendwann in den frühen
Morgenstunden wieder in ihr Zimmer zurückgekehrt, nachdem sie mich inständig
angefleht hatte, nicht mehr in das Haus zurückzukommen. Wer ist gegen vier Uhr
morgens schon in Stimmung, schwarzseherische Beschwörungen und Warnungen zu
verdauen? Schließlich hatte ich mich erkundigt, ob sie vielleicht unter
Verfolgungswahn leide? — Daraufhin hatte sie mich gefragt, wofür ich sie
eigentlich hielte? Nun, ein zärtlicher Abschied war es nicht gerade gewesen.
Vor uns lag eine herrliche
Jacht, und als wir uns näherten, winkte der Mann im Steuerhaus uns wild zu.
Clarrie drosselte den Motor und ließ sein Boot an die Jacht herangleiten.
»Morgen, Clarrie !« schrie der Mann aus voller Lunge. »Du hast wohl nicht
zufällig irgendwo Jack Romney gesehen ?«
»Nein.« Clarrie schüttelte den
Kopf.
»Hat meinen Kahn für heute
gemietet«, brüllte der andere. »Ursprünglich wollte er ihn nur für sich und
einen anderen haben, aber jetzt bringt er gleich vier oder fünf Gäste mit .«
»Wird ein schöner Tag heute«,
brüllte Clarrie zurück, während er den Motor wieder anließ.
Meiner Ansicht nach sah es
nicht nur so aus, als ob ein schöner Tag vor uns läge, sondern nach dem, was
ich gehört hatte, würde sich an diesem schönen Tag auch Danny Boyds Schicksal
entscheiden. Gleichzeitig kam mir der erleuchtende Gedanke, mich mit Clarrie
auszusprechen, solange ich dazu noch in der Lage war.
Etwa eine Stunde später schob
sich unser Boot durch das tiefblaue Wasser des Great- Barrier -Riffs.
Die Sonne wurde heißer, und Boyd kam zum Schluß seiner Geschichte, die an einem
regnerischen Morgen im Spätherbst am East River begonnen hatte.
Clarrie kratzte sich
nachdenklich an der Nase, als ich schließlich verstummte.
»Klingt ja recht
vielversprechend .«
»Kann man wohl sagen .«
»Vielleicht kommt’s zu einer
Seeschlacht .«
»Ich habe das üble Gefühl, daß
sie zu der Ansicht gelangt sind, es läßt sich viel einfacher hier draußen erledigen
als an Land«, erklärte ich. »Wenn Sie mit der Sache nichts zu tun haben wollen,
Clarrie, dann kehren Sie jetzt um, und fahren Sie zurück — ich nehme es Ihnen
nicht übel .«
»Und Sie nicht?«
»Ich habe besondere Gründe«,
erwiderte ich. »Und außerdem werde ich dafür bezahlt .«
»Ich auch«, erklärte er.
»Fünfundzwanzig Pfund. Vergessen Sie das nicht !«
Clarrie steckte sich eine
Zigarette an und rieb sich wieder die Nase. »Sie haben doch eine Waffe in der
Hüfttasche. Was für eine?«
»Eine Achtunddreißiger«, antwortete
ich. »Warum?«
»Ich habe vorn im Schrank eine
alte Lee- Enfield -Büchse, Kaliber 303«, bemerkte er
obenhin. »Dazu ungefähr fünfzig Schuß Munition. Ich kann mir nicht vorstellen,
daß wir in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, Danny .« Er zog die Karte aus seiner Hemdtasche und studierte sie ein paar Sekunden.
»Dieses Riff liegt ein wenig abseits der allgemeinen Route — kann sein, daß uns
da den ganzen Nachmittag keine Menschenseele begegnet .« Er hob den Arm und deutete ins Wasser. »Da, sehen Sie !«
Ich blinzelte gegen die Sonne
und sah einen dreieckigen Körper durchs Wasser schießen.
»Das ist ein Blauhai«, erklärte
Clarrie. »Wie wär’s mit einem Bier ?«
Es war kurz nach Mittag, als
ich die beiden Hügel am Horizont aus dem Wasser steigen sah. Es erschien mir
die richtige Zeit zu einem Bier.
»Da ist Ihre Insel, Danny«,
meinte Clarrie nickend. »Gießen Sie das Bier nicht so rasch ein, da bildet sich
zuviel Schaum .«
»Welches ist meine Insel ?« fragte ich.
»Links«, erwiderte er. »Wenn
Ihre Karte stimmt, müßte das Riff etwa zweihundert Meter davor liegen. Danke .« Er nahm das frisch gefüllte
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