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Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Titel: Insel hinter dem Regenbogen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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sein Alter und hatte noch Babyspeck, der sich erst verwachsen musste. Er trug orthopädische Schuhe, die auch nicht verhindern konnten, dass er einen Fuß beim Rennen eindrehte. Aus dem Grund stolperte und fiel er – manchmal recht eindrucksvoll – des Öfteren hin, wenn er auf dem Spielfeld war. Er machte gern und schnell sarkastische Bemerkungen und hatte ein Talent, die Fehler anderer Kinder aufs Korn zu nehmen. Am Mittwoch hatte sein Gruppenleiter gemeldet, dass Bay in eine Rauferei verwickelt gewesen war. Auch wenn er noch kein Außenseiter war, so war Tracy doch sicher, dass er sich in diese Richtung entwickelte.
    Sie sagte sich, dass es nicht ihre Aufgabe sei, aus Bay einen glücklichen, beliebten Jungen zu machen. Ihre Aufgabe war es, sicherzustellen, dass das Ferienprogramm reibungslos und gefahrlos ablief, und dafür zu sorgen, dass die Kinder am Ende des Sommers nach Hause kamen und ihre Eltern anbettelten, nächstes Jahr wieder am Sommercamp teilnehmen zu dürfen. Sie war keine Therapeutin. Sie war nicht einmal Mutter. Was wusste sie schon über Jungs wie Bay, die ihre Mutter vermissten und die ganze Welt für ihren Verlust verantwortlich machten?
    Sie tat alles, was in ihrer Macht stand. Sie begrüßte ihn nicht wie einen potenziellen Serienmörder, sondern wie einen Jungen, der ein warmherziges Willkommen brauchte.
    Um zehn Uhr war sie bereit für die Besprechung. Doch Gladys fing sie ab. Sie kam in den Gemeinschaftsraum und sah so frisch und tröstlich aus wie eine englische Nanny. Mary Poppins mit dreißig Pfund zu viel auf den Rippen. In den vergangenen Wochen hatte Tracy herausgefunden, dass Woody zwar offiziell der Direktor des Freizeitprogramms sein mochte, aber dass Gladys mindestens ebenso verantwortlich für den Erfolg des Zentrums war. Sie war das Gesicht, das man jeden Tag sah, die Person, die alle Geheimnisse kannte. Zwar traf sie sich nicht mit den Beamten der Stadtverwaltung, schrieb keine Anträge und forschte im Budget des Landkreises auch nicht nach möglichen Fördermitteln – aber sie war diejenige, die dafür sorgte, dass der Laden lief.
    „Es geht um den Kunstkurs“, sagte Gladys. „Die Eltern fragen sich, ob noch mehr kommt, als Plastikstreifen zu Schlüsselanhängern zu flechten oder Muscheln auf Weihnachtskugeln zu kleben.“
    Tracy lächelte strahlend. „Waren einige der Muster nicht toll?“
    „Wir sind hier in Florida. Jeder Weihnachtsbaum des Bundesstaates droht unter dem Gewicht solcher Weihnachtskugeln zusammenzubrechen. Bitte, sagen Sie mir nicht, dass Sie als Nächstes Muscheln auf Bilderrahmen kleben.“
    „Nein … natürlich nicht.“ Tracy fragte sich, ob noch Zeit war, die gestrige Bestellung von kleinen Schachteln aus Kiefernholz und einem weiteren Karton mit Kleber rückgängig zu machen.
    „Dann haben Sie einen Lehrer gefunden?“
    „Ich habe es versucht, Gladys. Hier, schauen Sie …“ Tracy durchwühlte die Papiere auf ihrem Schreibtisch und reichte Gladys eine Liste über die Telefonanrufe, die sie getätigt hatte. Einige davon waren nichts weiter als verkappte Bettelanrufe gewesen.
    „Wir haben Sie mit dem Problem ziemlich alleingelassen, oder?“
    Tracy nickte. „Das stimmt.“
    „Aber Sie wirkten so einfallsreich. Darauf haben wir uns einfach verlassen.“
    „Oh bitte … Ich habe es sogar bei dem Künstler versucht, der in den Fluren des Fabrikverkaufszentrums ausstellt, Gladys. Ich bin in das Fabrikverkaufszentrum gefahren. Ich bin so weit, dass ich unsere Kinder sogar von Leuten unterrichten lassen würde, die Porträts von Collies in leuchtenden Grün- und Rosatönen malen. Aber nicht einmal die haben Interesse. Wir zahlen nicht genug, und wir haben auch kein Geld für die Utensilien.“
    „Keine Schlüsselanhänger, keine Muscheln. Finden Sie einen Lehrer, oder machen Sie etwas, womit wir die Eltern beeindrucken können, okay? Etwas, das den Kindern eine Fähigkeit vermittelt, die sie vorher noch nicht hatten. Gehen Sie in die Bücherei, und leihen Sie sich ein Buch über die Gestaltung von Fotoalben aus oder übers Weben oder Stricken …“
    „Stricken?“
    Gladys’ Miene erhellte sich. „Sie stricken? Das wäre perfekt. Die Kids würden etwas lernen, das sie später auch noch brauchen können.“
    „Selbstverständlich stricke ich nicht. Glauben Sie, ich könnte stricken? Aber meine Nachbarin häkelt. Geht das auch?“
    „Das ist noch besser. Eine Häkelnadel pro Kind. Besser als zwei Stricknadeln. Günstiger. Und wir haben noch

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