Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
Die Temperatur hier drinnen hat alles etwas verzögert, deshalb ist es schwer zu sagen.“
Der glatzköpfige Hilfssheriff sah von seinem Klemmbrett auf. Angesichts seiner offensichtlichen Emotionslosigkeit hatte er offenbar schon viele tote Menschen gesehen. „Sie können froh sein, dass er in der Zugluft der Klimaanlage verstorben ist.“
„Ja, ich bin von Dankbarkeit überwältigt“, erwiderte Tracy.
Er hob eine schüttere Augenbraue, die der Beweis war, dass seine Glatze nicht der Mode geschuldet war. „Wenn Sie schon dabei sind, können Sie sich auch gleich darüber freuen, dass das Haus praktisch luftdicht abgeriegelt war, bis Sie gekommen sind. So haben die Insekten ihn wenigstens noch nicht gefunden.“
Sie unterdrückte ein Schaudern. Neben dem Geruch des Todes hatte Tracy den Duft von Insektenvernichtungsmittel wahrgenommen. Herb Krause hatte sich offenbar im Krieg mit der Insektenwelt befunden. Wenigstens hatte er die letzte Schlacht gewonnen.
Für die Profis, die sie gerufen hatten, war Herbs Tod nur ein ganz alltägliches Geschäft. Mitarbeiter des Sheriffbüros waren gekommen, hatten sich die Sache angeschaut und dann Herbs Arzt angerufen, dessen Namen Tracy auf der Verpackung eines verschreibungspflichtigen Medikaments neben dem Bett gefunden hatte. Nach einem Gespräch hatte der Arzt zugestimmt, den Totenschein auszustellen, wie das Gesetz es verlangte. Dann hatte er in Herbs Unterlagen nachgeschaut und dem Hilfssheriff gesagt, welchen Bestattungsunternehmer er informieren musste. Der Leichnam wurde von Mitarbeitern des Bestattungsunternehmens abgeholt, die schnell gekommen waren.
Der Hilfssheriff erledigte die letzten Formalitäten, reichte Tracy das Klemmbrett und steckte seinen Stift wieder ein, nachdem sie unterschrieben hatte. „Wenn Sie noch ein bisschen bleiben können, sollten Sie durchlüften und das Bettzeug für die Müllabfuhr bereitstellen. Ich bin mir sicher, dass seine Verwandten Ihnen dafür dankbar sein werden.“
„Die Müllabfuhr kommt morgen oder Sonntag. Ein Privatunternehmen. Seine Verwandten …“ So weit hatte Tracy noch gar nicht gedacht. Sicherlich hatte Herb Familie. Aber woher sollte sie das wissen? Sie hatte den Mann auf Schritt und Tritt gemieden.
„Das Bestattungsinstitut wird die Adresse der Verwandten brauchen, wenn Sie sie haben“, sagte er. „Mr. Krause hat seine Beerdigung schon im Voraus bezahlt, doch der Leiter hat gesagt, dass in den Unterlagen empörend wenige Informationen zu finden sind.“
„Ich muss mich hier umsehen.“ Tracy wollte nicht zugeben, dass sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte. Das klang kaltherzig – so, als hätte sie überhaupt kein Interesse an ihren Mietern gehabt. Was leider der Wahrheit entsprach.
„Oh, er hatte das hier in der Hand.“ Der Hilfssheriff reichte Tracy den Schlüssel, der ihr schon aufgefallen war. „Warum auch immer. Ich glaube nicht, dass er vorhatte, irgendwohin zu gehen. Seine Taschen waren leer. Sonst hatte er nichts bei sich. Bis auf seine Kleider.“
Tracy berührte den Arm des Mannes, als er sich gerade zum Gehen wenden wollte. „Ich war gestern hier und habe an die Tür geklopft. Meinen Sie … Sie wissen schon … Hat er gelitten? Dass er hier Stunden oder vielleicht tagelang gelegen hat und … mit dem Tod gerungen hat?“
„Nein. Ich denke, er ist gestern ganz normal aufgewacht, hat sich angezogen und fühlte sich dann ein bisschen unwohl. Das Bett war gemacht, also war er bereits aufgestanden. Er hat sich vermutlich hingelegt, weil er dachte, es würde ihm anschließend besser gehen. Dann hat er einen Herzschlag erlitten und war einfach tot.“ Er schnippte mit den Fingern. „Wir sollten alle so leicht aus dem Leben scheiden. Sie haben ihn gesehen. Er sah ganz friedlich aus. Keine Anzeichen, dass er gelitten hat.“
„Wahrscheinlich haben Sie recht.“
„Sagen Sie Bescheid, wenn Sie die Informationen haben, okay?“ Der Hilfssheriff gab ihr seine Visitenkarte und verabschiedete sich. Tracy starrte noch immer auf die Karte, als sie den Leichenwagen mit Herbs Körper darin den Weg hinunterfahren hörte. In Anbetracht des leiser werdenden Krächzens des Sprechfunkgerätes musste der Hilfssheriff direkt hinter ihm sein.
„Tja, das ist wohl eine Miete, die ich diesen Monat vergessen kann.“ Sie steckte die Visitenkarte in ihre Tasche.
Sie fühlte sich nicht so locker, wie sie klang. Noch nie hatte sie eine Leiche gesehen – außer natürlich im Fernsehen, wo man heutzutage mehr
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