Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
verwesende Leichname zu sehen bekam als Werbung für etwas, das man wirklich brauchte.
Aber die Wirklichkeit? Das war etwas anderes. Auf einer Skala von „heiter“ bis „entsetzt“ mochte Herb Krause vielleicht friedlich ausgesehen haben. Aber der Gedanke, der ihr gleich nach dem ersten Schock gekommen war, war, dass er einsam ausgesehen hatte.
Sollten Menschen allein und unentdeckt sterben? War das auch ihr Schicksal?
Tracy hörte Schritte. Sie drehte sich um und sah Janya Kapur in der Tür stehen.
„Ich habe gesehen, wie sie weggefahren sind“, sagte Janya.
„Der Hilfssheriff hat gemeint, dass er ganz friedlich eingeschlafen ist.“
„Er war alt. Vielleicht war er schon darauf vorbereitet.“
„Ist das möglich?“
Janya zog ihre gerade Nase kraus. „Ich habe Weihrauch mitgebracht.“
„Weihrauch?“ Tracy fragte sich, ob es ein hinduistisches oder buddhistisches Ritual sein mochte. Wollte Janya die bösen Geister vertreiben oder Herbs Seele mit ein bisschen duftendem Rauch in die andere Welt schicken?
Janya schien ihre Gedanken erraten zu haben. „Ich dachte, wir sollten die Fenster öffnen und dann ein paar Räucherstäbchen anzünden, damit das Haus besser riecht.“
Tracy erinnerte sich daran, was der Arzt gesagt hatte. „Das ist nett von Ihnen.“
„Ich mache die Fenster im Wohnzimmer auf.“
Als Janya gegangen war, ging Tracy durchs Schlafzimmer, schaltete die Klimaanlage ab und den Deckenventilator ein und öffnete das einzige Fenster, das noch geschlossen war. In diesem Raum zu sein, in dem Herb vor Kurzem seinen letzten Atemzug getan hatte, machte ihr Angst, aber die frische Luft half.
Widerwillig ging sie in die Küche und fand extragroße Müllbeutel. Die Tüten wie Handschuhe nutzend, zog sie die Laken und das Bettzeug ab und stopfte alles in einen weiteren Müllbeutel. Zur Sicherheit stülpte sie noch einen Müllbeutel darüber und verschloss diesen, so fest es ging. Die Matratze würde ebenfalls auf dem Müll landen, doch sie war froh, dass sie das Schlimmste erst einmal überstanden hatte. Das hatte sie aus dem Fernsehen.
Janya schleppte einen zusätzlichen Standventilator ins Schlafzimmer, suchte und fand eine Steckdose und schaltete ihn ein. Langsam setzte der Ventilator sich in Gang.
„Ich weiß Ihre Hilfe wirklich zu schätzen“, sagte Tracy.
„Es macht mich traurig, was ihm passiert ist. Ich will etwas tun.“
Tracy suchte das Badezimmer auf. Es war ein enger Raum mit 50er-Jahre-Fliesen in Rosa und Grau und einem passenden grauen Waschbecken. Alles war altmodisch und so kurios, dass es schon wieder angesagt war. Tracy fragte sich, ob Herb das auch so gesehen hatte oder die Einrichtung auch als überholt empfand, eine Erinnerung daran, dass das Haus nicht nach seinem Geschmack umgestaltet werden konnte. Sie wusch sich die Hände und gleich anschließend zur Sicherheit noch einmal.
Es wurde schnell warm im Haus, doch jetzt erfüllten die frische Luft und der Duft von Janyas Räucherstäbchen die Räume. Herbs Leben war vorbei, und schon morgen würde nichts mehr daran erinnern, dass er hier gestorben war.
„Ich glaube, ich muss die Matratze für die Müllabfuhr nach draußen stellen“, sagte Tracy zu Janya, die im Wohnzimmer wartete. „Aber ich warte damit bis heute Abend.“
„Ich werde seine Pflanzen gießen. Er hat sie so gut gepflegt. Ich weiß, dass er nicht wollen würde, dass sie sterben.“
„Nur weil er gestorben ist.“ Kaum waren die Worte ausgesprochen, wurde Tracy klar, wie sie geklungen haben mussten. „Also gut. Danke.“ Sie war froh, dass sie sich nicht selbst darum kümmern musste. Wahrscheinlich hätte sie nicht einmal daran gedacht.
„Dann mache ich mich mal auf den Weg“, sagte Janya. „Noch etwas … Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich in dem Zimmer, in dem er gestorben ist, ein Licht anmache? Es ist eine Tradition in meinem Land.“ Sie verschwand kurz und kam dann wieder.
Tracy hatte sich derweil im Wohnzimmer umgesehen, das bestürzend aufgeräumt und übersichtlich war. Sie wusste nicht, wie Herb seine Zeit verbracht hatte, aber ein Teil der Zeit war auf alltägliche Nebensächlichkeiten verwendet worden.
„Janya, kannten Sie Herb? Besser als ich, meine ich. Ich kann hier keine Fotos entdecken. Der Hilfssheriff sagte, dass der Bestattungsunternehmer die Telefonnummern seiner Angehörigen haben möchte. Sie wissen nicht zufällig, wer sie sind und wo sie leben, oder?“
„Wir haben uns nur ein paar Mal
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