Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
Nachmittag voller neuer Erfahrungen.“
„Ich hatte nicht mehr … so viel Spaß …“ Alice beendete ihren Satz nicht, aber das musste sie auch nicht.
„Mir gefällt das Bollywood-Tanzen“, stellte Olivia fest.
„Du musst diese Schritte allerdings sehr vorsichtig einsetzen, Kleine“, warnte Wanda sie. „Oder du weißt plötzlich nicht mehr, wohin mit all den Jungs, die dich umschwärmen.“
Tracy ließ sich den anderen gegenüber in einen Sessel sinken. Sie blickte auf den Tisch neben sich und nahm etwas herunter. „Janya, was ist das?“
Janya wedelte sich ebenfalls kühle Luft zu. „Ein Armband für meinen Bruder.“
„Dein Bruder trägt ein Armband?“, fragte Olivia. „Ist er krank?“
„Ich glaube nicht, dass das ein medizinisches Armband ist.“ Tracy hielt es hoch, damit die anderen es auch sehen konnten. Olivia kam näher, um es genauer zu betrachten.
„Es ist aus Seidenfäden geknüpft und mit goldenen und silbernen Perlen verziert. Ich kann in die Mitte ein Foto einarbeiten. In Indien gibt es einen besonderen Tag: Raksha Bandhan. Eine Schwester knüpft ein Armband für ihren Bruder und bindet es um sein Handgelenk, um zu zeigen, wie sehr sie ihn liebt“, erklärte Janya. „Im Gegenzug muss der Bruder seine Schwester beschützen. Das Armband ist viel stärker als der einzelne Seidenfaden, aus dem es geknüpft ist, denn es verbindet uns miteinander.“
„Und du machst ein Armband für deinen Bruder?“, fragte Olivia.
„Ja. Yash ist jünger als ich und sehr gut aussehend. Ich vermisse ihn. Ich werde ihm sein Armband schicken. Zum ersten Mal bin ich in diesem Jahr nicht da, um es ihm selbst umzubinden. Er wird es allein machen müssen. Einige Brüder tragen ihr rakhi, bis es abfällt. Aber Yash wird seines früher wieder abnehmen und es sicher aufbewahren. Er hat alle Armbänder behalten, die ich für ihn geknüpft habe.“ Janya konnte nur hoffen, dass ihre Mutter dieses Armband nicht abfing.
„Tja, ihr wisst, wie man sich gegenseitig Freude bereitet und feiert“, sagte Wanda und blickte auf ihre Uhr. „Aber auch wenn ich seit Ewigkeiten nicht mehr so viel Spaß hatte, muss ich jetzt los. Janya, ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“
„Oje, Olivia und ich müssen auch los.“ Alice stand auf. „Wir sind schon viel zu lange hier.“
Janya verstand. „Ich bringe euch noch zur Tür.“ Und nicht weiter. Auch das verstand sie.
Alle Frauen brachen fast gleichzeitig auf und bedankten sich überschwänglich. Als Tracy den anderen folgen wollte, hielt Janya sie jedoch zurück.
Janya wartete, bis die anderen außer Hörweite waren. „Ich mache mir Sorgen um Alice. Es ist nicht gut, wie wir sie mal hierhin, mal dorthin schmuggeln müssen.“
„Ich weiß nicht, wie wir es sonst lösen sollen. Sie hatte so viel Spaß heute.“
„Und die ganze Zeit über hatte sie Angst, dass Mr Symington kommen und dem Spaß ein Ende bereiten könnte.“
„Ich weiß … Du wirst nicht mehr erleben, wie ich ihn verteidige – nicht nachdem er sich geweigert hat, Alice wieder im Freizeitzentrum arbeiten zu lassen.“
„Dann machst du dir auch Sorgen?“
„Ein bisschen. Ich denke, er ist einfach nur übervorsichtig. Aber ich sage dir was: Ich werde heute Abend zu Lee gehen und nett zu ihm sein, sodass er immer noch das Gefühl hat, in Beziehung zu uns zu stehen. Du weißt ja, wie man sagt: Mit Speck fängt man Mäuse.“ Tracy winkte Janya zu und ging den Weg entlang.
In Janyas Augen war das nur eine weitere Eigentümlichkeit ihrer neuen Heimat. Warum sollte Tracy mit irgendetwas Mäuse fangen wollen?
Tracy verbrachte den Rest des Nachmittags mit dem Verfugen der Fliesen im Schlafzimmer. Endlich war der Boden fertig – es fehlten nur noch das Badezimmer und die Versiegelung für die Fugen. Die Fliesen zu verlegen war wie ein großes Puzzle gewesen, nur dass sie einige Teile hatte zurechtschneiden müssen, um sie passend zu machen. Vermutlich war das Beste an der ganzen Sache die Art, wie sie sich fühlte: Die Frau, die hatte zusehen müssen, wie ihr Leben in sich zusammenfiel, hatte wenigstens bewiesen, dass sie diesen Boden reparieren konnte.
Das Häuschen würde niemals als Fotostrecke in einer Wohnzeitschrift auftauchen, aber es versprühte inzwischen einen verschrobenen Charme. Der Teppich aus Seegras und Jute vor dem Sofa, die Messingvasen, die überall im Zimmer verteilt waren und in denen Treibholz und getrocknete Gräser standen, die Grünpflanzen, die Janya aus Herbs
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