Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
du gehen, und was willst du machen? Wird denn das Geld reichen, um in Kalifornien wieder Fuß zu fassen? Kannst du deine alten Freunde damit zurückkaufen?“
Sie hatte nicht gewusst, was sie darauf sagen sollte. Der Zorn und der nagende Verdacht, dass er ein bisschen recht haben könnte, hatten ihr den Atem geraubt, und so hatte sie geschwiegen.
„Tracy … nimm das.“ Er hatte ihr die Papiere wieder gereicht. „Wie wäre es, wenn du dir erst mal Klarheit über deine Prioritäten verschaffst?“ Damit hatte er sich umgedreht und war zurück zu seinem Auto geschlendert. Und sie hatte ihn nicht zurückgehalten.
Jetzt fragte sie sich, ob es auf diesem Planeten überhaupt noch normale Männer gab. Und falls sie einen finden sollte, würde sie ihn anziehend finden? Oder würde er ihr wie ein Sonderling vorkommen?
Alices Treppe war an diesem Nachmittag nicht gefegt worden. Selbst der aufziehende Sturm konnte nicht all den Sand auf die Stufen geweht haben, der überall lag. Doch Tracy wusste, wo Alice gewesen war. Wahrscheinlich war sie nach der Feier bei Janya erschöpft gewesen und hatte sich hingelegt.
Sie klopfte und hörte Schritte. Olivia ließ sie rein, doch das Mädchen lächelte nicht.
„Was ist los, Olivia?“, fragte Tracy und hob die Hand, um sich mit der Kleinen abzuklatschen.
Olivia klatschte ab, aber ohne Kraft oder Begeisterung. Sie kam näher und senkte die Stimme. „Nana fühlt sich nicht gut.“
„Ist dein Dad hier?“
Olivia schüttelte den Kopf.
„Vielleicht sollte ich mal nach ihr sehen.“
Olivia legte ihre Hand auf Tracys Arm, um sie zurückzuhalten. „Ihr geht es nicht gut. Sie …“
Aber Tracy brauchte keine weiteren Erklärungen. Auf dem Tisch, direkt vor ihr, lag ein verwirrtes Knäuel Häkelgarn. Und Tracy fürchtete, dass sie genau wusste, was es war – oder was es gewesen war.
Einen Moment lang stand sie nur da und starrte. Sie sah Monate harter Arbeit, sah Träume, Erinnerungen an eine andere Tischdecke und geliebte Hände, die einander über Generationen hinweg gereicht wurden – bis hin zu Olivia. Alice hatte schon so viel verloren, und jetzt hatte Tracy Angst, dass sie vielleicht auch ihren Verstand verloren haben könnte.
Ihr war übel, als sie den Arm ausstreckte und die Wolle berührte. Sie schien unter ihren Fingerspitzen zurückzuzucken, und Tracy machte einen Schritt zurück.
„Was ist passiert?“ Sie drehte sich zu Olivia um und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ist das das Tischtuch mit der Ananas?“
Olivia flüsterte. „Daddy hat es hinter dem Haus auf der Mülltonne gefunden, als er heute Nachmittag nach Hause gekommen ist.“
„Er hat das gefunden? So?“
„Als wir wieder zu Hause waren, hat Nana überall danach gesucht, und sie wurde immer aufgeregter. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Sie kramte in Schubladen und zog Kisten aus Schränken. Daddy brachte die Tischdecke schließlich mit herein und zeigte sie ihr. Er sagte, dass sie am Morgen, bevor er wegfuhr, ganz durcheinander gewesen sei – ihr war aufgefallen, dass sie am Anfang einen kleinen Fehler gemacht hatte. Er sagte ihr, dass es nicht schlimm sei, dass es niemandem auffallen würde, doch sie war total aufgelöst. Er dachte, dass sie sich beruhigen würde …“
Tracy blickte sich im Zimmer um, denn sie hatte Angst, das Mädchen anzusehen. „Warst du hier, als das alles passiert ist, Süße? Ich meine, kannst du sagen, wie aufgebracht sie wirklich war?“
„Nein, ich bin Fahrrad gefahren. Nana wartete im Garten, nachdem Daddy zur Arbeit gefahren war, um mit mir zu Janya zu gehen. Aber sie kam mir ganz normal vor. Daddy macht sich große Sorgen um sie. Er hat ihr ein paar Tabletten gegeben und sie ins Bett gesteckt. Ich soll im Haus bleiben und auf sie aufpassen. Er ist losgefahren, um Peperoni-Pizza zum Abendessen zu holen. Er wollte nicht, dass Nana heute Abend kocht.“
Tracy wusste nicht, wie sie die nächste Frage stellen sollte. Sie sah Olivia an und fragte einfach geradeheraus – aber sanft, fast beiläufig, als ob es nicht wichtig wäre. „Olivia, wusste dein Vater eigentlich, dass wir heute bei Janya waren, um zu feiern?“
„Das weiß ich nicht. Er ist nach Hause gekommen, als wir schon wieder zurück waren. Er hat nichts gesagt.“
Tracy fragte sich, ob Lee vielleicht doch recht gehabt hatte. Hatte der Gedanke an die bevorstehende Feier Alice so belastet, dass sie das Tischtuch aufgerippelt hatte? Dass sie es in der Hoffnung, es reparieren zu können,
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