Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
an der Tür stand und über Kuchen nachdachte, während sie doch eigentlich an Herb oder Alice denken sollte.
Nein, Alice schied schon mal aus. Wanda erhaschte einen Blick auf Alices silbergraues Haar im Garten vor ihrem Häuschen und sah dann auch die Enkelin, die bei ihrer Großmutter eingezogen war. Während sie noch schaute, gingen die beiden hinein.
„Dann also Herb.“
Es tat ihr leid, falls Herb ins Krankenhaus gebracht wurde. Oder es noch schlimmer war. Und es tat ihr auch leid, dass sie an dem Tag, als sie den Key Lime Pie gebacken hatte, fast die Hälfte auf einmal und ganz allein gegessen hatte. Sie hatte einen Wutanfall bekommen, weil Ken nicht gekommen war, um den Kuchen mit ihr zu teilen, obwohl es sein freier Tag gewesen war. Aufgebracht hatte sie den Rest des Pies eingepackt, ihn in ihre beste Keramikkuchenform geworfen – die mit dem Deckel, der aussah wie kreuzweise übereinandergelegte Teigstreifen mit einer Apfelspalte als Griff – und war zu Herbs Haus marschiert. Er war gerade mit seinen Pflanzen beschäftigt gewesen, und sie hatte ihm den ganzen Pie gegeben – nur weil sie nicht gewollt hatte, dass Ken auch nur einen Krümel von dem Kuchen bekam, falls er je wieder nach Hause zurückkehrte.
Jetzt befand sich ihre beste Kuchenform, die sie von ihrer Tochter geschenkt bekommen hatte, die normalerweise kein Händchen für schöne Geschenke hatte, in Herbs Häuschen. Sie hoffte nur, dass er nicht an einer Überdosis Key Lime Pie gestorben war.
Sie musste etwas tun. Die Pie-Form gehörte ihr, und sie musste sie sich zurückholen. Wanda ging hinein, um zu Ende zu frühstücken und sich derweil zu überlegen, wie sie es anstellen und wann sie es tun wollte.
Bevor sie das Haus hinter sich abschloss, probierte Tracy noch einmal den Schlüssel aus, den Maribel Sessions, die Maklerin, ihr für Herbs Häuschen gegeben hatte. Sie hatte sich nicht nur eingebildet, dass der Schlüssel nicht passte. Er passte tatsächlich nicht. Und sie hatte in dem Haus auch keinen ähnlichen Schlüssel liegen sehen – weder auf seiner Kommode noch auf dem Nachttischchen.
Obwohl der Schlüssel, den Herb festgehalten hatte, nicht wie der aussah, den sie bekommen hatte, probierte sie ihn aus. Wie sie vermutet hatte, war er für eine andere Art von Schloss gemacht. Dünn und spinnenartig wirkte er wie ein Gegenstand aus einem Nancy-Drew-Roman. Der geheimnisvolle Schlüssel des toten Mannes. Wenn Tracy einen rätselhaften Dachboden oder einen Turm zu öffnen hätte, wäre sie mit dem Schlüssel vermutlich gut bedient.
Als sie wieder zu Hause war, rief sie Maribel an, die sich um die Vermietung der Häuser kümmerte. Die Maklerin sagte zu, ihr die Originale herauszugeben, wenn Tracy sofort vorbeikam, ehe Maribel zu ihren Terminen für den Tag aufbrechen musste. Mit dem Versprechen, einen passenden Schlüssel zu bekommen, ging Tracy zurück zu Herbs Haus, zog die Tür ins Schloss und machte sich dann auf den Weg in die Stadt. Falls der schlimmste Fall eintrat, konnte sie noch immer das Fliegengitter aufschneiden und durch eines der Fenster ins Haus klettern.
In Tracys Augen wirkte Palmetto Grove immer ein paar Töne blasser, als es eigentlich müsste. An der Golfküste verfiel alles schneller als anderswo. Die Sonne, der umherwehende Sand, die salzige Luft – das alles stahl der leuchtendste Farbe die Strahlkraft und ließ sogar die teuersten Wagen rosten. Kleine Sandhaufen ruinierten das smaragdgrüne St.-Augustine-Gras, obwohl Sprinkleranlagen ständig ein leicht schwefelhaltiges Wasser versprühten. Zu dieser Jahreszeit nickten nur noch die widerstandsfähigsten Blumen mit ihren bunten Köpfen.
Sie hielt vor dem Maklerbüro an – Sessions Realtors: Häuser mit Klasse – und schloss ihren Wagen ab. In dem kühlen Eingangsbereich, der durch weiße Marmorfliesen und griechische Säulen noch ein bisschen kühler wirkte, erklärte Tracy der Empfangsdame, dass Maribel sie erwarte. Die Frau kannte offensichtlich ihren Namen und sprang auf, um Maribel nach vorne zu holen.
Tracy hatte es sich gerade erst mit einem Magazin bequem gemacht, als Maribel schon auf sie zukam. Die Maklerin hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht, das einem glücklichen Schönheitschirurgen seine Mitgliedschaft im Golfklub und den einen oder anderen Urlaub in einem exklusiven Resort sicherte. Sie hatte helle Haare wie Gwen Stefani, was sie mit ihrem passenden cremeweißen Kostüm noch unterstrich. Wie die Stadt, in der sie Häuser kaufte
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