Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
noch am Leben.“
Sherrie schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Hast du ihn gekannt?“
„Eigentlich nicht.“ Sie entschloss sich, ehrlich zu sein. „Ich habe eher versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich war beschäftigt, und außerdem ist das hier alles so neu für mich. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, sich mit den Mietern anzufreunden und sie so nahe an sich heranzulassen.“
„Ach Tracy, wen lässt du schon an dich heran?“
„Was soll das denn heißen?“
„Ich meine damit, dass du, solange ich dich kenne, immer nur mit den Zehenspitzen in eine Beziehung eingetaucht bist. Du springst nie ins kalte Wasser und riskierst, dass du über beide Ohren drinsteckst.“
„Na ja, in der Beziehung zu C J habe ich bis über beide Ohren dringesteckt, meinst du nicht? Schließlich habe ich ihn geheiratet, habe mich von ihm scheiden lassen, und zwischendurch hatte ich sogar irgendwie Spaß. Zumindest bis zu der großen Überraschung.“
„Nein, wenn du dich in die Beziehung gestürzt und C J richtig kennengelernt hättest, dann wäre es keine Überraschung gewesen. Du warst überrascht, weil du dir nicht die Mühe gemacht hast, herauszufinden, wer er wirklich ist.“
„Was für ein Psychogeschwätz ist das denn?“
„Das ist die Stimme von jemandem, der dich wirklich kennt. Ich bin’s. Sherrie. Schon vergessen? Einer der wenigen Menschen, die du näher an dich herangelassen hast – und das auch nur, weil wir auf dem College waren und viel zu viel und heftig gefeiert haben, um irgendetwas voreinander verbergen zu können.“
„Ich wünschte, ich wäre so tiefgründig und mysteriös, wie du mich darstellst, aber ich bin doch eher das ‘Was-du-siehst-das-bekommst-du-auch-Mädel’.“
„Genau. Das sagst du!“ Sherrie machte eine kurze Pause. „Brauchst du irgendetwas? Kann ich von hier aus irgendwas für dich tun?“
„Du könntest einen reichen Ehemann für mich finden.“
„Willst du echt einen?“
„Oder noch besser: einen Sugardaddy. Ich mache es wie Anna Nicole Smith.“
„Dazu hast du nicht die Oberweite.“
„Wade könnte sich doch darum kümmern.“
„Nur über meine Leiche.“
„Mit C Js Kontakten zur Mafia wäre das sicher kein Problem.“
„Die Mädchen und Wade lassen dich übrigens grüßen.“
Tracy küsste in den Hörer und verabschiedete sich kurz darauf.
Im letzten Licht der Dämmerung schien der Weg zu Herbs Haus doppelt so lang zu sein wie sonst. Während sie näher kam, konnte sie die Wellen des Golfs ans Ufer schlagen hören. Ihr Häuschen dagegen lag an einer Bucht, und die Aussicht wurde durch die Mangrovenbäume und das Unterholz eingeschränkt. Herbs Haus wies zwar in dieselbe Richtung, aber nur von Alices Häuschen hatte man einen direkten Blick auf den Golf. Wenn die Häuser erst einmal niedergerissen waren und die Vegetation untergepflügt oder wenigstens gebändigt war, würden die Besitzer der Luxusapartments, die für diesen Platz vorgesehen waren, eine unglaubliche Aussicht genießen können. Was gut war, da sie sehr viel Geld dafür bezahlen würden.
Tracy neigte weder zum Jammern noch in irgendeiner Form zu übertriebenem Selbstmitleid. Als das Leben, das sie gekannt hatte, mit einem Schlag vorbei gewesen war, hatte sie sich zusammengerissen und einen Fuß vor den anderen gesetzt, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt war. Doch in dem Moment, als sie vor Herbs Tür stand, fragte sie sich, was sie in Zukunft erwartete. Sie konnte die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass sie auf Happiness Key leben würde, bis sie eines Tages wie Herb tot in ihrem Bett gefunden werden würde.
Nein, das war albern. Das würde nicht passieren, denn wenn sich nicht schnellstens etwas änderte, würde sie nicht genug Geld haben, um das Eigentum so lange zu halten. Die zu entrichtenden Steuern waren gigantisch. Zwar hatte sie genug Geld, um ein Jahr zu überbrücken, doch wenn sich das Grundstück nicht verkaufte, steckte sie in echten Schwierigkeiten.
Aber, hey, das war nicht das Einzige, um das sie sich kümmern musste. Da war noch einiges mehr. Vermutlich hätte sie Lee Symington doch beim Wort nehmen und sich mit der Eventmanagerin vom Jachtklub bekannt machen lassen sollen.
Obwohl die Temperatur über sechsundzwanzig Grad betrug, überlief ein Schauer ihren Rücken, als sie auf Herbs Veranda stand. Sie wünschte, sie hätte auf das Abendbrot verzichtet oder wäre nicht ans Telefon gegangen. Eigentlich hatte sie gehofft, die Aktion
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