Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
einen Termin mit einem Handwerker abgemacht, der herkommen und einen Kostenvoranschlag über die nötigen Reparaturen hier machen wird. Und übrigens: Für mich selbst kann ich mir keinen Handwerker leisten.“
„Ich soll also dankbar sein, dass ich nicht länger unter den Lecks im Dach sauber machen und auch kein Gas mehr einatmen muss?“
„Ich rieche kein Gas.“
„Das kommt nur daher, dass ich jedes Mal den Gashahn zudrehe, wenn ich den Herd nicht benutze. Und Ihr Handwerker wird Ihnen sagen, dass mit der Leitung alles in Ordnung ist. Wir hatten schon jemanden von der Gasgesellschaft hier draußen. Es ist der Herd, der ersetzt werden muss. Innen ist er total verrottet.“
„Oh.“
Wanda fragte sich, was passieren würde, wenn sie sich jetzt aufsetzte. Bevor sie es jedoch ausprobieren konnte, erhob Tracy sich. „Wollen Sie eine Tasse Tee oder so? Haben Sie irgendetwas, das Sie bei Magenproblemen einnehmen können?“
„Es sieht Ihnen nicht ähnlich, so hilfsbereit zu sein.“
„Hören Sie, ich bemühe mich, okay? Vielleicht ist es nicht meine Art, aber selbst ich kann Tee kochen und ein Fläschchen mit Pillen öffnen.“
„Was wollen Sie eigentlich hier?“ Wanda schwang die Beine zur Seite und richtete sich vorsichtig auf. Die Übelkeit kehrte nicht zurück.
„Ich dachte, ich schulde Ihnen eine Entschuldigung. Wegen meines Verhaltens im Park.“
Wanda wusste nicht, was sie dazu sagen sollte – genauso wenig, wie sie wusste, was sie am Tag des Jüngsten Gerichts sagen sollte.
„Also, wollen Sie nun einen Tee oder nicht?“, fragte Tracy nach einer langen Pause.
„Teebeutel finden Sie in dem Schrank neben der Mikrowelle. Stellen Sie einfach einen Becher mit Wasser hinein, bis es kocht.“
„Das kriege ich hin.“
Wanda blieb aufrecht sitzen, bis Tracy zurückkam, doch als sie ihren Tee hatte, sank sie gegen die Sofalehne, wo sie ihre Ellbogen abstützen und ihre zitternden Hände ein bisschen ruhigstellen konnte. Sie nahm einen kleinen Schluck, dann noch einen und entschied, dass das erst mal für eine Weile reichte. Zwar war ihr Magen noch immer in Aufruhr, doch schon etwas weniger aufgewühlt. Tracy verschwand wieder und kehrte kurz darauf mit einem feuchten Waschlappen zurück.
„Sie können Ihr Gesicht damit abtupfen, wenn Sie mögen.“
Wanda stellte ihre Tasse auf den Beistelltisch und nahm den Waschlappen. Aber sie blieb argwöhnisch. „Sie sind so fürchterlich nett.“
„Nicht zum ersten Mal in meinem Leben.“
„Tja, das ist gut zu hören.“
Tracy ließ sich gegenüber der Couch in einen Sessel sinken. „Ich weiß, dass es mich eigentlich überhaupt nichts angeht, aber ich bin einfach neugierig. Weiß Ihr Ehemann, was Sie machen? Stört es ihn nicht?“
„Kenny?“ Wanda brachte etwas wie ein Lachen hervor. „Kenny weiß überhaupt nichts mehr über mich.“
„Mir ist aufgefallen, dass er oft spazieren geht.“
„Er kommt nach Hause und verschwindet dann wieder, so schnell es geht. Aber dadurch habe ich viel Zeit, um zu telefonieren und ein wenig Geld beiseitezulegen. Für die Zeit nach der Scheidung.“
„Hätten Sie nicht lieber ihn? Ich meine, lieber als die Zeit und das Geld?“
„Das ist persönlich.“
„Es ist ein ziemlich persönlicher Abend, finden Sie nicht?“
Wanda hielt das für eine Frage, die es wert war, beantwortet zu werden. „Ich hätte natürlich lieber den alten Kenny“, sagte sie schließlich. „Aber nicht den jetzigen. Dieser Ken ist keinen Pfifferling wert.“
„Das tut mir leid. Meine Ehe war auch alles andere als gut. Ich war nur nicht clever genug, um das selbst einzusehen.“
„Das ist nicht so schwer. Ich bin mit einem Fremden verheiratet.“
„Was ist passiert? Ich meine, was hat ihn verändert? Eine andere Frau? Die Flasche?“
„Er hat einen Mann getötet.“
Tracy verstummte. Wanda wusste nicht, warum sie darüber redete, und vor allem nicht, warum sie ausgerechnet mit dieser Frau darüber redete. Vielleicht war sie genauso einsam wie die alten Männer, die sie anriefen. Vielleicht war sie, wenn man es genau betrachtete, genau wie sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie wagten nicht, über ihre Wangen zu rollen.
„Er war Polizist im Miami-Dade. Wir hatten ein schönes Leben. Wir waren mit den Familien von seinen Kollegen befreundet. Wir hatten tolle Kinder. Ein günstiges Haus in Doral, dessen Wert immer weiter gestiegen ist, bis wir auf einem kleinen Vermögen saßen. Kenny liebte seinen Job und ist
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