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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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ordentlich festgebunden, oder sie wurden in Gehegen gehalten. Im hellen Tageslicht schimmerte das Straßenpflaster, als wäre es eifrig geschrubbt worden.
    Nun bestätigte sich Joannas Eindruck, diese Stadt wäre so sauber wie keine andere, die sie je gesehen hatte. In der Nähe des Palasts reihten sich größere Bauten aneinander, und manche konnte man für herrschaftliche Residenzen halten. Aber in der Architektur und im Dekor unterschieden sie sich kaum von den Häusern der gewöhnlichen Bürger. Hier schien die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, mit der Joanna in England und anderswo konfrontiert worden war, nicht zu existieren.
    Welch eine verwirrende Erkenntnis... Doch sie wurde sofort verdrängt, als hinter einer Straßenbiegung das majestätische Tor des Palasts auftauchte. Atemlos starrte sie die beiden steinernen Löwinnen an, die den Eingang bewachten. Zu beiden Seiten stand je ein halbes Dutzend Männer, Fuß an Fuß, Schulter an Schulter. Beinahe hätte sie den Kopf aus dem Fenster der Sänfte gesteckt, um all die Wunder genauer zu betrachten. Doch sie beherrschte sich gerade noch rechtzeitig. Resignierend sank sie in die weichen Kissen zurück. Dort hielt sie es nur ein paar Sekunden aus. Dann richtete sie sich wieder auf und schaute durch den schmalen Spalt zwischen den Vorhängen. Mehr durfte sie sich nicht erlauben. Nachdem ihre Eskorte das Tor passiert hatte, sagte sie sich energisch, dass sie keine Landpomeranze war. Sie hatte weite Reisen unternommen und in ihrem fünfzehnten Lebensjahr sogar Frankreich besucht, um den viel zu kurzen Waffenstillstand, im scheinbar endlosen Krieg zu nutzen, der seit der französischen Revolution wütete. Während die meisten englischen Adeligen daheim geblieben waren, statt die obligate Grand Tour zu absolvieren, hatte Joanna gemeinsam mit ihrem Bruder Griechenland und sogar die ganze Levante erforscht. Und so kannte sie zahlreiche Sehenswürdigkeiten. Aber nichts dergleichen hatte sie auf den Anblick vorbereitet, der sie jenseits der Löwinnen erwartete. Der Gipfel des Bergs, der hinter Ilius emporragte, erweckte den Anschein, er wäre von einer Riesenhand abgeschnitten worden. Auf dieser Fläche lag ein großer Hof, an drei Seiten von einem außergewöhnlich schönen Palast umschlossen. In den leuchtenden Farben eines Sonnenuntergangs bemalt, erhoben sich Säulen drei Stockwerke hoch zu einem blauen Ziegeldach. Die weißen Mauern waren da und dort mit den geometrischen Ornamenten geschmückt, die Joanna bereits kannte. Unter-
    halb der Dachrinne prangten in regelmäßigen Abständen die geschnitzten Hörner von Stierköpfen. Eine breite Treppe führte zum mittleren Eingang hinauf, wo eine wuchtige Doppeltür offen stand.
    Aber die Sänftenträger schlugen eine andere Richtung ein und wandten sich zum westlichen Flügel des Palasts. Trotz ihrer schnellen Schritte vergingen mehrere Minuten, bis sie den Hof durchquert hatten und eine etwas schmalere Treppe erreichten. Als sie hinaufstiegen, neigte sich das Traggestell nach hinten.
    Kurz bevor die Vorhänge der Sänfte auseinander gezogen wurden, hörte Joanna leises Stimmengewirr. Weil sie nicht gesehen werden wollte, während sie sich auf Seidenkissen rekelte, stieg sie hastig aus. In der voluminösen weißen Robe konnte sie sich nur mühsam bewegen. Aber sie schaffte es, und die Träger entfernten sich mit der Sänfte.
    Joanna stand vor einer schlanken, älteren Frau in einer schlichten, knöchellangen Tunika. Ihr dunkles, von silbernen Fäden durchzogenes Haar war zu Zöpfen geflochten und um den Kopf geschlungen. Die Hände vor der Brust gefaltet, verbeugte sie sich. Dann blickte sie auf und musterte Joanna, die braunen Augen voller Neugier.
    Ganz langsam begann sie zu sprechen, als würde sie sich an ein zurückgebliebenes Kind wenden, und unterstrich ihre Worte mit beredten Gesten. »Ich bin Sida, Lady, Prinz Alexandros’ Haushälterin. Bitte folgen Sie mir.«
    »Danke, Sida«, antwortete Joanna in derselben Sprache. »Ich bin Lady Joanna Hawkforte. Das Akoranische ist mir noch fremd. Bitte, seien Sie so nett und verbessern Sie mich, wenn ich mich falsch ausdrücke.«
    Offenbar war ihr kein einziger Fehler unterlaufen, was die unverhohlene Überraschung der Haushälterin deutlich bekundete.
    »Oh, Sie sprechen sehr gut für eine...« Errötend verstummte Sida.
    »Für eine Xenos ?«, fragte Joanna lächelnd. »Ihr Lob freut mich, Sida. Aber ich muss sicher noch viel lernen.« Ohne Zaudern ging sie in das

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